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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
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demonstrieren, wie gut ich meine Sache machte. Also steigerte ich mich in meine schauspielerische Leistung noch mehr hinein und stellte überrascht fest, wie viel Spaß es machte, in eine fremde Rolle zu schlüpfen. „Pedro, diese Überraschung zu unsere Hochzeitstag ist wirklich schön! Ich dir so dankbar!“
    „Maria, du diese verdienen“, erwiderte er begeistert. „Hast mir drei gesunde Söhne geschenkt! Warten hier, ich holen Auto.“
    Als wir in dem Auto saßen, erklärte er mir beiläufig: „Das ist der Zweitwagen des Försters, den habe ich ihm zu seinem letzten Geburtstag geschenkt. Eine nette Geste unter zwei guten Freunden, nicht ganz uneigennützig, aber was soll’ s. Er hat nichts dagegen, dass ich ihn mir hin und wieder ausleihe.“
    „Wie lange dauert die Fahrt, Ryan?“, fragte ich.
    „Pedro!“, korrigierte er aufgebracht und knurrte mit gespielter Wut: „Wer ist Ryan?“ Dabei rollte er das „R“ so übertrieben, dass ich einen heftigen Lachanfall bekam. „Wer ist dieser hijo de puta? Ich bringe ihn um!“
    „Ruhig Blut, Gringo“, gluckste ich vergnügt, als ich sah, wie die Zipfel seines falschen Schnurrbarts zitterten. „Maria dir immer treu.“
    Er tätschelte mein Knie und pfiff bewundernd aus: „Maria, du Teufelsweib! Du machen mich nach dreißig Jahre Ehe immer noch scharf! Ich so froh, dich geheiratet und nicht Rosario.“
    So schäkerten wir die ganze Fahrt lang miteinander, und als wir endlich ankamen, war ich sogar fast enttäuscht, denn dieses Rollenspiel hatte mir wirklich sehr viel Spaß gemacht. Ich sah aus dem Fenster und bewunderte den Ausblick. Der Hafen war von der spätherbstlichen Sonne vergoldet, und das Meer breitete sich wie ein dunkelblauer, raschelnder Unterrock unter ihm aus. Ich schloss die Augen und atmete die herrliche Luft tief ein, gleichzeitig spürte ich, wie sich etwas in meiner Brust rührte. Etwas Dunkles, Bedrohliches. Mein Herz raste wie wild, und meine Hände begannen wieder zu schwitzen. Dieses Mal war ich mir absolut sicher, dass es sich um eine Erinnerung handelte. Ja, ich bin schon einmal hier gewesen, ich erkannte die Umgebung. Ich erkannte sogar den älteren Mann, der die Boote und die Yachten vermietete. Sein verrunzeltes, wettergegerbtes Gesicht und sein Geruch nach abgestandenem Schweiß, Knoblauch und Whiskey kamen mir eigenartig bekannt vor. Genau wie der junge Bursche, der sich bald zu uns gesellte. Plötzlich wusste ich, dass er sein Enkel war und Bill hieß. Er studierte Medizin und half seinem Großvater in den Semesterferien aus.
    „Billy, holst du uns bitte die Formulare?“, hörte ich die raue Stimme des alten Mannes. Also stimmte es, es war eine Erinnerung. Auf einmal wurde mir schwindelig, und ich hielt mich an Ryan fest.
    „Haben Sie eine Stuhl?“, hörte ich ihn mit Pedros Stim me fragen. „Meine Frau wollen sitzen, lange Fahrt, senior!“
    „Billy!“, brüllte der alte Mann, „bring uns einen Stuhl! Und ein Glas Wasser!“
    Er strahlte uns an, als ich schwerfällig auf den Stuhl sank und das Wasser in einem Schluck austrank. „Geht es Ihnen wieder besser, Verehrteste?“, erkundigte er sich liebenswürdig. Ich nickte. „Wie legen sehr viel Wert darauf, dass unsere Gäste zufrieden sind, nicht wahr, Billy?“ Billy war derweil voll und ganz mit seinem Handy beschäftigt, besaß dennoch die Höflichkeit, kurz seinen Blick auf uns zu richten und innbrünstig mit seinem blonden Wuschelkopf zu nicken. „Er hat eine neue Freundin“, erklärte uns sein Großvater und grinste schelmisch. „Ein hübsches Mädchen. Die ganze Zeit schreiben sie sich diese komischen Dinger, wie heißen sie noch mal, Billy?“
    „SMS “, murmelte Bill abwesend.
    „Genau die. Sie wissen ja, wie die jungen Leute sind“, lächelte er entschuldigend mit einem stolzen Blick auf seinen Enkelsohn. „Schließlich waren wir alle mal jung. Billy ist ein guter Junge, wird mal ein Doktor! Wenn seine armen Eltern es nur erleben könnten… Sind sie mit dem Ausfüllen fertig, Mister Gonzales?“
    „Fast, senior. Was bedeuten Ausweisnummer?“, fragte Ryan, während er die Spitze des Kugelschreibers mit seiner Zunge befeuchtete. „Diese schreiben schlecht!“, stellte er verärgert fest.
    „Billy, haben wir andere Kugelschreiber?“ Doch Billy schien ihn gar nicht gehört zu habe n, zu sehr war er in seine mobile Korrespondenz vertieft.
    „Nehmen Sie meinen, Mister Gonzales!“ Der Alte hielt ihm großzügig seinen Kugelschreiber entgegen,

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