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Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Titel: Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raufeisen
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recht sein.
    Weiter ging es auf der Autobahn. Inzwischen war es schon dunkel geworden. Gegen Abend erreichten wir den Berliner Ring. An der Raststätte „Berlin-Michendorf“ fuhren wir wieder von der Autobahn ab. Offensichtlich hatte mein Vater sich verabredet, denn er ging dort zu einem Auto und unterhielt sich mit den Insassen. Wir sollten im Auto sitzen bleiben und warten. Klar, war in der DDR einiges anders, aber das kam Michael und mir schon komisch vor. Alles war sehr verdächtig, aber was für einen konkreten Verdacht sollten wir denn schöpfen? Unser Vater war Ingenieur bei der Preussag, war ein bisschen schrullig, schaute gern die „Aktuelle Kamera“, war aber letztlich doch ein ganz normaler Westdeutscher. Wahrscheinlich hatte er mit ein paar West-Mark erreicht, dass unsere Reise problemlos weitergehen konnte. Mir war es auch egal. Mit 16 glaubt man noch an das unbegrenzte Organisationstalent seines Vaters.
    Als er nun von dem anderen Auto zurückkam, sagte er: „Wir müssen dem Auto dort hinterherfahren, die Leute führen uns in ein Quartier zur Übernachtung!“ Meine Mutter ahnte wohl irgendetwas und fing an, mit meinem Vater leise zu flüstern. Wir folgten dem LADA, der uns zur Unterkunft führen sollte. Von der Autobahn ging es sehr schnell herunter. Es kam mir vor, als würden wir stundenlang über einsame, schlechte Landstraßen fahren, noch dazu in einem halsbrecherischen Tempo. Wir erreichten ein Dorf und hielten an einem Einfamilienhaus, mitten in der Einöde. Dort wurden wir von einem älteren Ehepaar empfangen, „Schwarzer“ hießen die beiden. Sie sagten uns, wir könnten bei ihnen übernachten. Schön, dass alles so klappte . Mein Bruder und ich haben keinen weiteren Gedanken daran verschwendet, wie merkwürdig dies alles war. Vielleicht waren wir ein bisschen unbedarft und naiv in der Hinsicht, aber wer ahnte schon, was hinter allem steckte! Schnell waren wir im Bett; ein Zimmer für meine Eltern, eins für meinen Bruder und mich.
    Michael und ich waren am nächsten Morgen eher genervt als misstrauisch: „Was ist denn nun los, wann kriegen wir unsere Papiere?“ „Ja, Geduld, die kommen schon“, vertröstete unser Vater uns immer wieder. Inzwischen waren zwei Männer zu Besuch gekommen. Sie steckten in schlecht sitzenden grauen Anzügen und trugen die dicken, schwarzgeränderten Brillen, die man im Westen nur noch aus den Heinz-Erhardt-Filmen oder von alten Männern kannte.
    Sie gingen mit meinem Vater in das Wohnzimmer. Irgendwann rief mein Vater meinen Bruder und mich dazu. Beigebraune Sitzecke mit Kunstleder-Armlehnen, der obligatorische höhenverstellbare Tisch, eine Schrankwand mit dem üblichen Nippes. Alles wirkte billig, eben wie DDR.
    „Ich will Euch erst mal ‚Willi‘ und ‚Jürgen‘ vorstellen.“
    Nur Vornamen?
    Jetzt rückte er mit der Wahrheit über unseren „kleinen Ausflug“ heraus und es kam der Satz, der mit einem Mal unser ganzes Leben ändern sollte, der unsere Familie zerstören und die geplanten Lebenswege von uns allen umleiten sollte.
    „Ich muss Euch beiden eine wichtige Mitteilung machen: Dass es Opa schlecht geht, stimmt nicht. Ich musste ganz schnell von Hannover weg. Ich war in Gefahr, dort verhaftet zu werden. Ich habe dort für die DDR gearbeitet!“ Michael und ich verstanden kein Wort.
    Für die DDR? Er war doch Geologe bei der Preussag!
    „Ich habe als ‚Kundschafter des Friedens‘ gearbeitet …“
    Kundschafter des Friedens? Was heißt das denn? Das hässliche Wort „Spion“ nahm er nicht in den Mund.
    „Meine Freunde hier haben mich gewarnt, dass meine Tarnung auffliegt. Wir können nicht mehr nach Hannover zurück, wir müssen uns hier in der DDR ein neues Leben aufbauen.“
    In der DDR leben? Nicht mehr nach Hannover zurück? Nie mehr? Was soll das heißen? War das ein Witz? Ein übles Schauspiel? Warum saß unsere Mutter nicht bei uns? Und dennoch: Wir glaubten ihm noch nicht ganz.
    Nun mischte sich der Ältere, „Willi“, in das Gespräch ein:
    „Zu Eurer eigenen Sicherheit könnt Ihr nicht mehr in die BRD fahren, Ihr habt euch damit abzufinden, Hannover niemals mehr wieder zu sehen! Hannover könnt Ihr höchstens wiedersehen, wenn es sozialistisch geworden ist!“
    Hannover sozialistisch? Was erzählt der da für einen absurden Blödsinn? Wer ist das überhaupt? Und warum duzt der uns? Was hat der uns zu sagen, dieser Willi? Der kennt uns doch gar nicht! Wir sind doch freie Menschen!
    Die Herren seien vom Ministerium für

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