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Der Tag Delphi

Titel: Der Tag Delphi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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können. Achtzehn Monate, und man hat mich schon ausgezählt. Und weißt du, was das schlimmste ist, Charlie? Ich weiß nicht einmal, ob mir das noch etwas ausmacht. Vielleicht verbringe ich die nächsten zweieinhalb Jahre damit, dieses Land zu zwingen, die Wahrheit zu schlucken, und werde dann bereitwillig die Koffer packen.«
    Mit verschränkten Armen ging der Präsident ein paar Schritte vom Schwimmbecken weg und ließ sich von Charlie Byrne ein Handtuch geben. Die paar Runden, die er hinter sich gebracht hatte, hatten ihn ermüdet, statt ihn zu erfrischen. Er ließ sich in den Stuhl nahe der Wand fallen, um sich abzutrocknen. Er ließ das Handtuch eine Zeitlang auf seinem Gesicht liegen, als hoffte er, daß seine Gesichtszüge danach wieder die gleichen sein würden wie damals, als er das Amt angetreten hatte. Er hielt sich damals für ausgesprochen robust und kerngesund. Jetzt raubten ihm manchmal bereits ein paar Treppenstufen den Atem. Sein Haar war dünner und silbriger geworden. Die leichten Falten hatten sich tief in sein Gesicht eingegraben und weiteten sich ständig aus. Die Muskeln, an denen er so hart gearbeitet hatte, waren schlaff geworden. Das Amt war daran schuld oder vielleicht die damit verbundenen Enttäuschungen. Die furchtbare Lage, die ihm hinterlassen worden war, hatte zu Erwartungen geführt, die unmöglich erfüllt werden konnten. Als die Dinge nicht besser, sondern schlimmer wurden, was mit einer Folge von gebrochenen Wahlversprechen einherging, wandte sich augenblicklich das ganze Land gegen ihn. Die Leute verhielten sich wie ertrinkende Schwimmer, die bereit waren, nach einer Rettungsleine von einem jeden zu greifen, der sie in ihre Richtung warf.
    »Ich glaube, du hattest von den Umfragen gesprochen, Charlie.«
    »Sie sind nicht der einzige, der heute morgen in ihnen vorkommt.«
    »Wieder Sam Dodd?«
    »Er ist Ihnen mit fünfundfünfzig gegen siebzehn Prozent voraus, wobei zwanzig Prozent unentschieden sind und die anderen möglichen Kandidaten unter ferner liefen einzuordnen sind.«
    »Nun, wenigstens bin ich noch immer zweiter«, sagte der Präsident und versuchte, jovial zu klingen. Er legte sich das Handtuch um die Schultern. »Glaubst du, daß ich das bleiben werde?«
    »Dodd ist kein Ross Perot. Er wird sich nicht selbst zerstören, und als unabhängiger Kandidat wird er auch nicht so genau überprüft. Abgesehen davon hat er bereits seinen Schrank aufgemacht und seine Skelette gezeigt, und es hat niemanden besonders interessiert. Der Mann kann es sich leisten, geradeheraus zu sein. Die Leute mögen ihn. Mein Gott, ich mag ihn.«
    »Vielleicht sollte ich ihm den Posten des Vizepräsidenten anbieten?«
    »Das könnte er mit dem gleichen Recht zu Ihnen sagen.«
    Der Präsident lehnte sich nach vorn. »Nun, vielleicht sollte ich ihn eine Zeitlang meine Arbeit machen lassen und mal sehen, ob er es besser hinbekommt. Soll er mal versuchen, den Kongreß davon abzuhalten, all die Vorlagen zu torpedieren, die er durchbringen will. Und dann sehen wir uns sechs Monate später seine Zahlen an, während ich bis dahin ausführlich Urlaub mache.«
    Byrnes Augen wirkten so leer und reglos wie die Wasseroberfläche im Schwimmbecken.
    »Mein Gott, Charlie, tut mir leid.«
    »Nein, Sie sind entmutigt. Ich kann Ihnen daraus keinen Vorwurf machen.« Byrne hielt inne. »Ich würde Ihnen einen Vorwurf machen, wenn Sie einfach aufgeben würden.«
    »Glaubst du, daß ich das bereits getan habe?«
    »Ich bin nicht so sicher.«
    »Danke für deine Ehrlichkeit.«
    Das Leben kehrte in Charlie Byrnes Augen zurück. »Wir können es noch immer schaffen, Sir.«
    »Sicher«, seufzte der Präsident, »indem wir all die Gesetzesvorlagen verwässern, von denen wir wissen, wie wichtig sie für dieses Land sind. Indem wir uns auf einen Kuhhandel mit den Interessen all derer einlassen, denen es völlig egal ist, wohin sich dieses Land entwickelt. Indem wir Pragmatismus und Meinungsumfragen über Prinzipien erheben.«
    »Sie können die Dinge nicht über Nacht ändern.«
    »Wir haben achtzehn Monate gehabt, und weißt du was? Ich habe nicht das Gefühl, überhaupt etwas getan zu haben. Ich gehe abends ins Bett und versuche herauszubekommen, was ich während des Tages erreicht habe, und gewöhnlich fällt mir überhaupt nichts ein.«
    »Ihre Erwartungen sind zu hoch.«
    »Und jetzt sind sie zu niedrig. Ich möchte es anders machen, Charlie«, seufzte der Präsident. »Es wird nur immer schwieriger, darauf zu kommen, was

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