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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Damenschuhe.
    Rückzug. Durchzählen. Wieder zwanzig Gefallene.
    Die Götter sind unverwundbar, meint die Gruppe der Gottgläubigen triumphierend, die sich von Anfang betend von den Kämpfern ferngehalten hat.
    Nr. 103 weiß nicht, was sie tun soll. Sie umklammert noch immer ihren Schmetterlingskokon für die Mission Merkur und traut sich nicht, bei den gefährlichen Angriffen teilzunehmen.
    Die große Angst vor den Fingern kehrt leise wieder und überkommt sie. Sie scheinen tatsächlich unbesiegbar zu sein.
    Doch Nr. 9 gibt nicht auf. Sie beschließt, mit den Fluglegionen loszuschlagen. Die gesamte Armee stellt sich in der Platane auf, die gegenüber der Post steht. Nr. 9 besteigt einen Käfer und beordert die Bienen auf beide Flanken ihrer Formation.
    Als sie die klaffende Öffnung des Fingernests sieht, stößt sie kriegerische Anfeuerungspheromone aus.
    Die Nashornkäfer senken den Kopf, damit ihr Horn genau in der Zielrichtung liegt.
    Auf die Finger!
     
    Eine Postangestellte schließt die Glastür. Es zieht, wie sie sagt.
     
    Die Kreuzzüglerinnen sehen nichts. Sie fliegen mit vollem Tempo, als die durchsichtige Wand auftaucht. Keine Zeit zum Bremsen.
    Die Käfer zerplatzen und tröpfeln an der Tür herunter. Die Schützinnen auf ihrem Rücken versinken in ihren Kadavern.
    »Hagelt es?« fragt eine Postkundin.
    »Nein, das müssen die Kinder von Madame Letiphue sein.
    Die spielen mit Kieseln. Das macht ihnen Spaß.«
    »Die werden doch nicht die Scheibe einwerfen, oder?«
    »Keine Sorge. Die ist dick.«
     
    Die Verletzten, die sich noch gesundpflegen lassen, werden weggeschafft. Bei diesem Angriff hat der Kreuzzug erneut achtzig Soldatinnen eingebüßt.
    Die Finger sind viel zäher, als wir geglaubt haben, meint eine Ameise.
    Nr. 9 will nicht aufgeben. Die Termiten auch nicht. Sie sind zu weit marschiert und haben zu viele Hindernisse überwunden, um sich jetzt von schwarzen Platten und durchsichtigen Wänden aufhalten zu lassen.
    Unter der Platane wird ein Biwak für die Nacht aufgeschlagen.
    Alle bleiben zuversichtlich. Morgen ist auch noch ein Tag.
    Die Ameisen wissen schon, welchen Preis, wieviel Zeit und welche Mittel sie aufwenden müssen. Und am Ende haben sie stets Erfolg. Das ist ja bekannt.
    Eine Kundschafterin entdeckt eine Ritze an der Stirnseite des Nests, das sie zuvor angegriffen haben. Einen rechteckigen Spalt. Vielleicht handelt es sich um einen verborgenen Eingang? Ohne den anderen etwas davon zu sagen, macht sie sich zu einem Erkundungsgang auf. Sie dringt durch den Spalt ein, in den Symbole eingeritzt sind, die in einer anderen Raum-Zeit-Dimension »Luftpost« bedeuten, und fällt auf mehrere flache, weiße Platten. Sie beschließt, sich in eine davon einzuschmuggeln, um zu sehen, was darin ist. Als sie wieder hinaus will, wird sie von einer weißen Wand zusammengedrückt. Also bleibt sie auf der Stelle und wartet.
    Und so wurde drei Jahre später zur allgemeinen Überraschung entdeckt, daß in Nepal ein Nest typisch französischer roter Ameisen entstanden war – mitten im Himalaja. Viel später fragten sich die Entomologen, wie diese Ameisen so weit hatten reisen können. Am Ende kamen sie zu dem Schluß, daß es sich um eine parallele Art handeln müsse, die der französischen Ameise aus reinem Zufall glich.

158. SIE IST ES
    »Sie erkennen mich?«
    Jacques Méliès war sich sicher.
    »Sie sind … Juliette Ramirez, die Starkandidatin von ›Denk
    …‹«
    »› …falle‹«, beendete Laetitia den Satz. Die Journalistin versuchte mit gerunzelter Stirn, den sonderbaren Zusammenhang zwischen der Rätselmeisterin, dem falschen Weihnachtsmann und der Bande von Killerameisen herzustellen.
    An Auseinandersetzungen gewöhnt, versuchte der Polizist, Juliette Ramirez zu beruhigen, die, wie er erkannte, am Rande eines Nervenzusammenbruchs war.
    »Wissen Sie, wir lieben diese Sendung! Mit Experimenten, die einfacher sind, als sie aussehen, bringt sie einen dazu, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Anders zu denken.«
    »Anders denken!« seufzte Madame Ramirez, ohne ihre Schluchzer noch länger zurückhalten zu können.
    Ungeschminkt, unfrisiert und in einem alten Bademantel statt einem ihrer getupften Kleider wirkte sie älter und müder als auf dem kleinen Bildschirm. Die brillante Kandidatin war nur noch eine ältliche Dame.
    »Hier, mein Mann Arthur«, sagte sie und zeigte auf den Mann auf dem Bett. »Der ist der Herr der Ameisen. Trotzdem ist alles meine Schuld, alles. Nachdem Sie uns jetzt

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