Der Tag der Dissonanz
schüttelte sie ab.
»Vielleicht ist er ja gar nicht mein Feind.«
»Natürlich bin ich das nicht«, sagte Jon-Tom ermunternd und schritt selbst auf ihn zu. »Ein Auftritt ist ein Auftritt, aber dadurch sollten sich Profis nicht entzweien lassen.« Als Charrok nahe genug herangekommen war, legte Jon-Tom dem Vogel kameradschaftlich einen Arm um die Schulter, wobei er sich vorbeugen mußte. »Das hier ist nicht dein Krieg, Sänger. Zwei Musiker-Magier unseres Kalibers sollten nicht versuchen, einander zu vernichten. Wir sollten zusammenarbeiten. Stell dir nur mal vor, welche Hexerei wir beide auf die Beine stellen könnten! Das hier sollte kein Duell sein, sondern eine Jamsession, wir sollten zusammen spielen, zusammen Musik und Magie machen.«
»Das würde mir durchaus gefallen«, sagte Charrok.
Da schob sich eine Hand vor und krallte sich krampfhaft in die Weste der Spottdrossel. »Das dulde ich nicht!« Das Frettchen hüpfte auf kurzen Beinen auf und ab. »Ich sage: Das dulde ich nicht! Ich habe dich gut bezahlt, um mir in dieser Sache zu dienen. Wir haben einen Vertrag! Es steht hier viel zuviel auf dem Spiel!«
»Ja, unter anderem mein Ruf«, erwiderte Charrok frostig.
»Aber«, er blickte zu Jon-Tom empor, »das läßt sich unter Freunden immer lösen. Und was dein Geld angeht, das kannst du zurück haben. Ich habe beschlossen, daß ich es gar nicht haben...«
»Paß auf, Kumpel!« schrie Mudge. Der Otter warf sich vor und trat Zancresta gerade noch rechtzeitig, um das Messer abzulenken, mit dem der Hexer zwischen Charroks Flügeln hatte auf Jon-Tom einstechen wollen. Ineinander verkrallt gingen die beiden zu Boden.
»Halt ihn fest, Freund!« donnerte Roseroar, als sie vorschnellte, bereit, Zancresta ebenso mühelos den Kopf vom Leib zu reißen, wie sie einen Korken aus einer Flasche gezogen hätte.
Doch das Frettchen sprang bereits wieder auf die Beine, einen blutenden Mudge hinter sich auf dem Boden zurücklassend. Mit unglaublicher Gelenkigkeit wich der Hexer der heranstürmenden Roseroar durch einen geschickten Haken aus und kletterte das nächstgelegene Regal empor. Kisten und Kartons prasselten auf die Tigerin herab, die die Geschosse unwirsch beiseite schleuderte, während sie versuchte, ihren Gegner zu orten. Dann kletterte sie auch schon hinter ihm her, langsam, aber unerbittlich.
Jon-Tom beugte sich über Mudge, der die Pfoten über der Messerwunde verkrampft hatte. Die Augen des Otters waren halb geschlossen, als er seinen Gefährten anblickte.
»Das war's wohl, Chef. Bin am Ende. Ich sterbe, 'ab ja gewußt, daß es eines Tages passieren würde, aber 'ätte nie gedacht, daß es so sein würde, wa? Nicht in irgendso'nem verdammten Krämerladen am Ende der Welt. Ich 'ätte eigentlich im Bett sterben müssen, 'ätte ich.« Die klaren braunen Augen waren voller Trauer und Wehmut. »Aber wir 'aben ganz 'übsche Zeiten miteinander verbracht, 'aben ab und zu ganz nett gelacht, sind aus mancher Klemme wieder rausgekommen, 'immel, davon könnt man manches Lied singen!« Die Augen schlossen sich, öffneten sich aufs neue, wenn auch matt.
»Tut mir leid, daß es so enden mußte, Kumpel. Wenn du noch 'n Liedchen übrig 'aben solltest, dann sing es doch vielleicht für den alten Mudge. Sing mir ein Lied vom Gold, Bannsänger. Wenn ich schon nicht im Bett sterben kann, dann vielleicht wenigstens unter 'nem Gold'aufen. Begrab mich unter dem verdammten Zeug, dann will ich glücklich da'inscheiden.«
Jon-Tom kniete sich neben dem schlaffen Otter nieder und hielt dessen Kopf mit einer Hand hoch. »Mudge«, sagte er ruhig, »diese Klinge ist keinen Zentimeter tief eingedrungen, und so furchtbar schlimm blutest du auch nicht. Wenn du mir schon Gold rauspressen willst, mußt du dich schon mehr anstrengen.«
Der Otter musterte ihn mit flehendem Augenausdruck.
»Gold? Kumpel, ich würd doch nie versuchen, dir in einem solchen Augenblick 'n bißchen Gold aus der Nase zu ziehen. Würd ich doch nicht tun, oder?« Jon-Tom erwiderte nichts.
Mudge bewegte die Hände, und seine Augen weiteten sich vor Erstaunen, »'immel, würdest du dir das 'ier mal bitte schön angucken? Es 'eilt schon, tatsächlich! Dank deiner Magie, Kumpel. Das werd ich dir nie vergessen, Chef, niemals!«
»Darauf würde ich glatt wetten«, sagte Jon-Tom angewidert. Er stand abrupt auf, und Müdes Hinterkopf schlug gegen den Boden.
»Aua! Verdammt, du verfluchter Angeber und Alleswisser, du zu groß geratener schwachstimmiger Sohn
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