Der Tag der Rache. Private Berlin
von drinnen ihre ungewohnte Stimme. »W er ist da?«
»D er Klempner, Frau Amsel«, antworte ich. »H err Banter hat angerufen. Mieter in Wohnung unter Ihnen hat gemeldet, bei ihm Wasser läuft durch Decke. Ich soll Toilette kontrollieren.«
Es herrscht eine lange Pause.
Dann höre ich, wie die Kette zur Seite geschoben wird und sich der Schlüssel im Schloss dreht.
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»W er hat sie als vermisst gemeldet?«, fragte Mattie, während sie eine PDF -Datei mit dem Briefkopf der Polizei von Frankfurt am Main las.
»I hre Schwester, Ilona«, antwortete Dr. Gabriel und zeigte auf den Abschnitt, auf dem der Name angezeigt wurde.
Mattie lief es eiskalt den Rücken hinunter. »I lona gehörte auch zu den Kindern, die gleichzeitig mit Chris ins Waisenhaus 44 kamen. Hat sie eine Adresse angegeben?«
»N ur eine Mobilnummer«, antwortete Katharina, die sich das Dokument ebenfalls ansah.
Mattie zog ihr Telefon heraus und wählte die Nummer, als Tom Burkhart das Labor betrat und direkt auf sie zukam. »I ch glaube, ich habe was«, sagte er.
Sie hob den Finger, als sie am anderen Ende das Klingelzeichen hörte.
Die voraufgezeichnete Stimme eines Anrufbeantworters meldete sich und bat um eine Nachricht und eine Rückrufnummer. »H allo, mein Name ist Mattie Engel. Ich bin eine Freundin von Chris Schneider. Wir haben zusammen bei Private hier in Berlin gearbeitet. Bitte rufen Sie mich zurück. Jederzeit. Tag oder Nacht. Bitte, ich muss unbedingt mit Ihnen sprechen.«
»H ier ist eine Greta Amsel, Mattie«, meldete sich Ernst Gabriel zu Wort, als sie das Gespräch beendet hatte. »S ie wohnt draußen in der Nähe von Falkensee. Höchstens zwanzig Minuten entfernt.«
Mattie notierte sich die Adresse und ging zur Tür.
»M attie, ich habe gesagt, ich glaube, dass ich was habe«, wiederholte Tom.
Mattie zögerte. »K omm mit«, forderte sie ihn schließlich auf. »E rzähl’s mir unterwegs.«
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Als meine gute Freundin Greta Amsel die Tür öffnet, trägt sie eine Schürze. Ich rieche gebratenen Speck. Nachdem sie meine Verkleidung begutachtet hat, tritt sie zur Seite. »D en Flur entlang rechts. Glauben Sie, es ist ein Rohrbruch?«
Ich zucke mit den Schultern und lächle. »W er weiß?«, erwidere ich locker. »I ch sehe nach, okay?«
Der Geruch von gebratenem Speck wird stärker, je weiter ich den kahlen Flur entlanggehe. Im Bad stehen nicht viele Schminksachen, Lotionen und Seifen herum. Greta Amsel führt ein schlichtes, karges Leben.
Ich stelle den Werkzeugkasten ab, ziehe mir Gummihandschuhe an und blicke nach hinten. Sie beobachtet mich. Wieder lächle ich. »S ie kochen, ja? Ich wissen in einer Minute, ob ein Problem ist. Wenn nein, ich bin in zwei Minuten weg.«
Sie zögert, zieht sich aber zurück.
Ich warte, bis ich das Klappern von Geschirr höre. Ein Radio plärrt die Nachrichten des Tages vor sich hin. Jetzt greife ich zum Flachschraubenzieher, den ich unter einem Klemmbrett mit einem leeren Blatt versteckt halte. Damit gehe ich dem Speckgeruch entgegen.
»H allo?«, rufe ich freundlich.
Greta steht etwa zwei Meter von mir entfernt in einer Kochnische und trocknet den Speck auf einem Papiertuch. »F ertig?«, fragt sie.
»J a, kein Problem mit Toilette. Müssen Nachbarn sein.« Ich halte ihr das Klemmbrett hin. »S ie hier unterschreiben wegen Fahrt gemacht, für Banter, okay?«
Greta kommt auf mich zu. Doch dann kann ich es nicht verhindern. Ihr so nah zu sein erregt mich mehr, als ich gedacht hatte, und ich kann dieses Knackgeräusch in meiner Kehle nicht verhindern.
Greta verzieht überrascht und ungläubig ihr Gesicht.
»D u kennst mich, Greta, hm?«, sage ich. »E s ist lange her, und trotzdem kennst du mich noch.«
Sie ist vor Schreck wie gelähmt, doch ich bin das genaue Gegenteil, als ich das Klemmbrett fallen lasse und mich auf sie stürze. Greta schnappt sich die Bratpfanne und schleudert mir das Fett ins Gesicht. Es verbrennt meine Haut, was mich aber nur noch wütender macht. Sie will schreien, doch ich schlage ihr die Pfanne aus der Hand und ramme ihr meine Faust in den Mund, so dass sie kaum mehr als ein Quietschen herausbringt. Mit großen Augen starrt sie mich an und wimmert.
»D u erinnerst dich doch, Greta?«, frage ich heiser flüsternd. »A n unseren gemeinsamen Spaß? Mit dir und deiner Mutter, hm?«
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Tom Burkhart parkte am Ende der Straße, in der Greta Amsel wohnte, als ein älterer Mann in blauem Overall und passender Kappe, in der Hand ein Werkzeugkasten, das Haus
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