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Der Tag der zuckersueßen Rache

Der Tag der zuckersueßen Rache

Titel: Der Tag der zuckersueßen Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Moriarty
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habe Dir schon mal davon erzählt, dass wir diesen Geheimauftrag von Lydia bekommen haben, bei dem wir unsere größten Ängste aufschreiben sollten. Und jetzt liegen sie versiegelt in Lydias Notizbuch und warten darauf, in zehn Jahren gelesen zu werden. Obwohl wir natürlich Cassies schon gelesen haben. Aber das Schreckliche ist, dass ich nicht ganz ehrlich war. Selbst meinen beiden besten Freundinnen gegenüber. Meine wahren Ängste habe ich gar nicht aufgeschrieben, zum Beispiel: ein plötzlicher Akneausbruch direkt vor dem Schulball (oder zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt), Massenvernich tungswaffen oder dass jemand aus meiner Familie ernsthaft krank wird. Es klingt schlimm, aber als Cassies Vater starb, bekam ich furchtbare Angst, dass mein Vater oder meine Mutter oder mein Bruder auch krank werden könnten, als wäre dieses Schreckliche, das geschehen ist, ansteckend. Weißt Du, Cass ist in letzter Zeit so still, dass es mich an die Zeit erinnert, als ihr Vater starb – es klingt albern, aber ich war echt wütend auf ihn deswegen. Es war, als hätte er ein Stück von Cassie mitgenommen, als er ging. Und jetzt fürchte ich, dass Paul Wilson noch ein Stück von ihr weggenommen hat. Dabei war sie schon immer so dünn, dass ich nicht dachte, dass jemand noch mehr von ihr wegnehmen könnte. Lydia und ich sind oft sauer auf Cass (ohne es ihr zu sagen), weil wir wünschten, sie würde einfach mal auf Paul schimpfen. Dann könnten wir sie emotional therapieren. Aber das einzige Mal, als Cassie die Beherrschung verloren hat, war damals in der Grundschule, als ich ihr sagte, sie könne die Schulglocke nicht richtig läuten. Und dann noch mal letztes Jahr, als der Arzt aus dem Krankenzimmer kam und ihr erklärte, dass ihr Vater das Krankenhaus nicht verlassen könnte. Wir waren zusammen mit Cass da, weil ihr Vater an dem Tag eigentlich entlassen werden sollte. Cass wurde ganz ernst und furchtbar wütend auf den Arzt, als wäre er ein unhöflicher Verkäufer. »Reden Sie nicht so mit mir«, sagte sie. »Wagen Sie es nicht, so mit mir zu reden.« Aber egal. Dad hat mir gerade eine Vorladung zustellen lassen, weil ich zum Abendessen kommen soll. Ich wollte es eigentlich ausfallen lassen, weil ich kürzlich in einer Zeitschrift gelesen habe, dass das Abendessen eine überflüssige Mahlzeit ist. Dad schickte Willi-am, um die Vorladung zu überbringen. »Sind Sie Emily Melissa Anne Thompson?«, fragte William und ich sagte: »Ja«, worauf er einen Zettel in mein Zimmer warf und verkündete (wie im Film): »Hiermit überreiche ich Ihnen Ihre Vorladung.« Jetzt faltet Willi-am die Vorladung zu einem Papierflieger und Dad steht an der Treppe und kichert vor sich hin.
    Liebe Grüße
Emily
     
     
    Liebe Emily,
Dein Brief enthielt viele traurige Geschichten und interessante Gedanken und ich würde Dich gerne wiedersehen und über alles reden. Ich bin nicht gut genug im Briefeschreiben, um per Stift über solche Sachen zu reden. Können wir uns bitte bald wieder verabreden? Ich könnte Dich nach der Schule abholen, und wir könnten zusammen einen Spaziergang nach Castle Hill machen. Vielleicht nächste Woche? Ich habe viele Fragen, z. B., willst Du damit sagen, dass Lydia die jenige ist, die Euch diese Geheimaufträge gibt? Warum? Steckt sie vielleicht hinter Deinem kriminellen Verhalten? Lass uns bald treffen, ja?
    Charlie
     
     
    Hallo Charlie,
eigentlich wollte ich ja nichts über die Geheimaufträge verraten,
aber vermutlich habe ich ohne nachzudenken davon geschrieben. Die Geheimaufträge fingen in der Grundschule an, als Lyd,
Cass und ich diesen Riesenstreit hatten. Es war das erste Mal,
dass wir uns stritten, und ich weiß gar nicht mehr, worum es dabei ging. Ach ja, es ging darum, wie man die Schulglocke richtig
läutet. Jedenfalls redeten wir drei nicht mehr miteinander und
zwar EINE GANZE WOCHE LANG. Dann löste Lydia die Sache, indem sie diese supergeheimen Geheimaufträge erfand. Sie schrieb den Auftrag auf drei verschiedene Zettel, einen für jede von uns, jeweils in verschiedenen Farben, und kokelte die Ränder der Zettel mit einem Feuerzeug an. Der Auftrag lautete, zu ihr zu kommen und bei ihr zu übernachten und ein gemeinsames Mitternachtsmahl einzunehmen und nie wieder zu streiten. Danach entwickelten Cass und ich eine gewisse Besessenheit für Geheimaufträge und wir zwangen Lyd, uns ständig neue zu geben. Und so gab sie uns schwierige und unheimliche Aufgaben, bei denen wir uns z. B. in das Büro

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