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Der Tag des Königs

Der Tag des Königs

Titel: Der Tag des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdellah Taïa
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Schock.
    Der Direktor suchte vergebens, seinen Ärger zu verbergen.
    Â»Na so was . . . Applaus, bitte, Applaus, Applaus . . . Es ist ein großer Tag, Applaus, Applaus für euren Kameraden, für euren Freund, für euren Khalid El-Roule, Sohn des
ehrwürdigen Herrn El-Roule, den wir alle kennen. Applaus für Khalid, er wird uns alle vertreten. Er ist der Beste von uns allen, von euch allen. Applaus für ihn, er ist euer Bruder. Khalid, mein Sohn, kommen Sie, treten Sie näher. Nicht so schüchtern, kommen Sie!«
    Khalid war überhaupt nicht schüchtern. Er war weder schüchtern noch überrascht.
    Er wusste es schon längst.
    Er hatte es mir nicht gesagt.
    Er wusste es und hatte es mir absichtlich verschwiegen.
    Wir applaudierten ihm. Ich applaudierte ihm.
    Mein Vater hatte recht. Es war tatsächlich Khalids Tag.
    Die Sonne kam näher. Die Dunkelheit ebenso. Nicht als Vorbote des Weltendes, sondern um Khalids Ruhm zu feiern.
    Der Direktor forderte Khalid auf, nun auch eine Rede zu halten. Er willigte ein. Die Worte fielen ihm ganz von selbst ein. Hatte er sie vorbereitet? Wann? Seit wann?
    Â 
    Ich dachte wieder an meine Mutter. Sie kehrte zurück. Genau in diesem Augenblick kehrte sie zurück in meiner Erinnerung.
    Sie fehlt mir, meine Mutter.
    Khalid redete.
    Khalid glänzte.
    Wohlgewählte Worte. Besser noch: neue Worte, Worte für besondere Anlässe.
    Meine Mutter fehlt mir. Ich habe eine Mutter. Ich habe eine Mutter. Sie fehlt mir.
    Khalid entfernte sich. Flog weit davon. Weit weg von uns. Von mir.
    Für Khalid wurde der Traum wahr. Sein Traum? Der Traum eines jeden Marokkaners?
    Meine Mutter verstand mich. Endlich. Sie war auf meiner Seite. Sie gab auf mich Acht.
    Seit ich nun meinerseits auch eifersüchtig war, verstand ich sie endlich. Ich verstand ihr Fortgehen, ihre Flucht. Und das Unausgesprochene. Nun, da es mir auch schlechtging, hatte ich plötzlich das Bedürfnis, sie zu sehen, das Bedürfnis, von ihr getröstet zu werden, ihr Dinge zu sagen, sie zu rufen: Mama!
    Ich verstand ihr Schicksal, ihr Leben. Wofür sie sich entschieden hatte und vor allem wofür sie sich nicht entschieden hatte. Ich sah ihren Widerstand, ihren langjährigen Widerstand. Gegen wen? Gegen meinen Vater? Einzig und allein gegen meinen Vater?
    Sie war nun weit weg von mir, von uns. Seit mehreren Wochen wusste ich es. Aber es war mir gar nicht richtig zu Bewusstsein gekommen. Ihre Abwesenheit. Ihr Verschwinden. Was sie kurz vor ihrem Aufbruch gesagt hatte.
    Â»Sag deinem Vater, dass ich zu meinen Ursprüngen zurückgekehrt bin. Zu meiner eigenen Mutter.«
    Ich hatte diese beiden Sätze meinem Vater weitergesagt, ohne zu versuchen, ihren verborgenen Sinn zu verstehen. Ich war in Rage. Ich war egoistisch, ungerecht.
    Im Angesicht von Khalid, dem Freund, dem Bruder, meinem Seelenverwandten, dem Verräter, dem Verräter, der ganz allein seinen Stolz auskostete, kamen mir die letzten Worte meiner Mutter wieder in den Sinn. Friedliche Worte. Rätselhafte Worte. Nach einer Weile hörte ich Khalid nicht mehr zu. Er zeigte sich der Situation gewachsen. Er war darauf vorbereitet. Und ich, wo blieb ich? 
    Ich enträtselte die Worte meiner Mutter. Ich träumte mit ihnen. Ich lebte in ihnen.
    Was waren die Ursprünge dieser Frau gewesen? Wer war
sie, dort in dieser Gegend, in die sie zurückgekehrt war? Eine Welt, nicht allzu weit entfernt, im Süden von Casablanca, die ich nicht kannte. Und woher stammte dieser Vorname, ihr Vorname, Zhor? Aus einer anderen Zeit? Zhor, eine Frau wie eine Blume. Wie sämtliche Blumen? 
    Ich sah ein ausgetrocknetes Flussbett, einen Heiligen, einen Suk, eine Zitadelle, eine Felsklippe, Frauen, noch mehr Frauen, unter sich, im Kreis. Ohne Männer. Ohne einen Mann. Ein Königreich der Frauen. War dies Azemmour? Ähnelten die Bilder, die mir einfielen, wenigstens ein bisschen dieser Stadt, diesem Ufer, diesem Land, die allesamt auch meine waren?
    Ich träumte nachts von Azemmour.
    Meine Mutter tanzte. Traurig. Glücklich. Am Anfang ihres Lebens. Vor der Zeit mit meinem Vater.
    Wer war diese Frau, die nackt tanzte? Wer war dieser Körper, den ich mit Gewissheit, mit Zweifel, Schamgefühl, Entzücken wiedererkannte? Wem gehörte er? Mir? Und diese Jugendlichkeit, dieses Bild einer Frau, das ich teilweise in meinem tiefsten Inneren trug, ohne es zu wissen, wo war es nun? Im Traum,

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