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Der Tag des Königs

Der Tag des Königs

Titel: Der Tag des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdellah Taïa
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Neusprachler. Alle im Collège sagen, dass man das merkt. Neusprachler sind natürlich weniger intelligent, arme Träumer, Versager.
    Von nun an würde die Welt gespalten sein. Khalid auf der einen Seite. Ich auf der anderen. Ab nächstem Jahr in unterschiedlichen Gymnasien. Wir würden nicht mehr in derselben Stadt sein.
    Nach den Ferien würde Khalid täglich nach Rabat fahren
und seine naturwissenschaftliche Ausbildung auf dem berühmten Lycée Moulay-Youssef erhalten. Er würde ein Auto mit Chauffeur ganz allein für sich haben. Sein Vater befürwortete diesen Beschluss nicht. Es war seine Mutter, die ihn gefasst und durchgesetzt hatte. Sie hatte bereits das Auto gekauft, einen nicht allzu auffälligen Renault, und den Chauffeur eingestellt, den kleinen Bruder ihres eigenen.
    Wo würde ich nach dem Sommer sein? Ganz sicher würde ich auf derselben Seite des Bou-Regreg-Flusses bleiben. Ich würde ein Slaoui bleiben, ein Bewohner von Salé.
    In den nächsten Tagen sollte mir bekannt gegeben werden, in welches Lycée der armen Vorstädte von Salé ich für den Abschluss meiner neusprachlichen Ausbildung geschickt werden würde. Eine uninteressante Ausbildung. Ohne jede Zukunft.
    Ich betete, dass dieses Gymnasium nicht allzu weit von zu Hause entfernt liegen möge, in diesem Territorium des Großen Schreckens. In dieser Welt, in der ich noch nie gewesen war und in der sämtliche Arten von Schleichhandel, sämtliche Verbrechen möglich waren. Eine Welt, die den Namen eines längst nicht mehr existierenden Flusses trug. Oued El-Khanez. Der stinkende Oued.
    Khalid schlief nicht. Er wartete auf mich. Ich hatte ihm einen Traum zu erzählen. Ich konnte es kaum erwarten.
    An Khalid bewunderte ich alles. Mir gefiel alles an ihm. Sein weißer Körper. Sein glattes tiefschwarzes Haar. Seine leicht gebogene Nase. Seine großen grünen, immer abwesenden Augen. Seine kleine Zahnlücke. Seine geringe Größe, seine Schlankheit, seine Intelligenz. Sein Raffinement. Seine Stimme, die zögerlich klingt, um sich nur umso besser durchzusetzen. Die Lichter um ihn herum. Sein Reichtum.
    Khalid war reich. Alles an ihm führte es mir vor Augen. Bewies es mir. Seine Art aufzutreten, zu leben, die Dinge und die Welt zu analysieren. Seine Art zu essen. Mir direkt in die Augen zu blicken, als würde er mich anbaggern.
    Khalid war reich, und er war schön.
    Khalid war schön, und er war reich.
    Er hatte alles. Und er hatte Angst. Dafür liebte ich ihn auch. Wegen seiner seltsamen Ängste, die die meinen schürten und verkomplizierten. Aber auch schöner machten.
    Er wandte mir den Blick zu und sagte noch etwas verträumt: »War Hadda nett zu dir? Hadda liebt dich. Sie ist in dich verliebt. Sie hat es mir vorhin gesagt.«
    Er lachte freundlich. Ich nicht.
    Er fügte hinzu: »Sei nicht so ernst. Sei kein Rassist.«
    Ich gab keine Antwort. Hadda bedeutete ihm nichts. Eine x-beliebige Hausangestellte. Er erwähnte sie allenfalls, um sie zu verspotten, sie anzuschnauzen, sie schlechtzumachen. Ich war zwar nicht einverstanden mit ihm, doch ich wagte nicht, es ihm zu sagen. Dann hätte er mich noch mehr verspottet, und das hätte ich nicht ertragen. Hadda gehörte zu mir, sie lebte in meiner Welt, weit von Khalid entfernt. Hadda war ein Geheimnis, selbst für mich.
    Wir hatten uns verspätet.
Es hatte lange gedauert, meinen Traum mit Hassan II . zu erzählen. Khalid hatte mir andauernd Fragen über jedes noch so geringe Detail gestellt. Für ihn waren sie mir alle wieder eingefallen.
    Wir rannten auf dem Weg zum Collège, in der gnadenlosen Hitze des Nachmittags. Wer würde als Erster ankommen? Ich, natürlich. Wie immer. Ich, der Stärkere. Ich, der Leibwächter. Ich, weil ich das besser konnte als Khalid. Rennen, rennen, rennen. Seit Beginn unserer Freundschaft, unserer Geschichte. Sich zu Tode rennen.
    An diesem Tag gewann ich nicht. Ich überließ Khalid den Sieg.
    Warum? Ein Geschenk? Brauchte er ihn? Hatte er Lust darauf?
    Lust, ja. Brauchen: nein.
    Bald sollten wir uns nicht wiedersehen und nicht mehr fast täglich treffen, um miteinander herumzulaufen. Morgens, mittags, abends. Das Leben würde uns auseinanderreißen. Wir hatten uns noch nicht verabschiedet. Es war Khalids Wettlauf. Vielleicht würde es der letzte zwischen uns sein. Zum letzten Mal waren unsere beiden Körper nun dabei, Seite an

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