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Der Tag des Königs

Der Tag des Königs

Titel: Der Tag des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdellah Taïa
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Gemüsesorten, die nicht zusammenpassten. Ich aß davon. Ich tat so, als würde es mir schmecken.
    Der Wein dagegen war hervorragend. Mein Vater sagte es wieder und wieder. Ich glaubte ihm.
    Wir waren nun eins mit der Nacht. Ich hatte nichts anderes zu tun. Mich vergessen. Meinem Vater zusehen, wie er eine Flasche Wein nach der anderen leerte. Ihn klagen hören. Ihn meine Mutter verdammen hören, dann hören, wie er sie rief, wie er mit viel Liebe ihren Vornamen brüllte.
    Spät in der Nacht trocknete ich seine Tränen, ich zog ihn aus und legte ihn in das große Bett, in dem er bereits seit mehreren Monaten allein schlief.
    Ich jedoch pisste, wie es mir mein Vater empfohlen hatte, kurz bevor ich zu Bett ging, auf die Wunde meiner linken Wade, die seit einem Monat nicht vernarben wollte.
    Â»Glaub mir, glaub mir. Es gibt nichts Besseres als Pisse, um Wunden vernarben zu lassen. Glaub mir, so habe ich das in deinem Alter gemacht. Auf dem Land gab es kein Desinfektionsmittel. Gar nichts gab es. Glaub mir . . . Glaub mir . . .«
    Ich glaubte ihm.
    Hadda, das schwarze Hausmädchen, das in Khalids Haus arbeitete, stattete mir in dieser Nacht einen Besuch ab. Sie kam und holte mich aus meinen Träumen. Sie weckte mich sanft, nahm mich an der Hand und führte mich in die Küche, unsere Küche. Wie immer sprach sie nicht. Ich begriff aber schnell, dass sie mir die Zubereitung eines Gerichts, eines einzigen Gerichts beibringen wollte: der Hsoua . Konnte es denn nicht unserer Gesundheit schaden, mitten in der Nacht zu kochen? Waren die Geister denn alldem wohlgesinnt?
    Hadda zündete eine weiße Kerze an und reichte sie mir. Sie war unsere einzige Lichtquelle.
    Ich stand neben ihr, dicht an ihrem großen und warmen Körper, und sah ihr beim Hantieren zu, ich verfolgte aufmerksam alle Arbeitsschritte für die Zubereitung dieser ländlichen Suppe, der Hsoua , die ich sehr mochte und die meiner Mutter früher immer wunderbar gelang. War Hadda von meiner Mutter geschickt worden? Kannte sie sie? Stand sie auf ihrer Seite? Wusste sie, wo sie sich nun befand?
    Es hatte keinen Sinn, ihr diese Fragen zu stellen. Hadda spricht nicht. So ist das eben. Das ist Vorschrift.
    Ich hielt die Kerze näher und sah, wie sich der Zauber vollzog.
    Hadda schüttete Wasser, eine Menge Wasser in einen Blechnapf, Olivenöl, Salz, Pfeffer, ein wenig Thymian, ein wenig frischen Koriander, vier große, grob geschnittene Tomaten. Sie vermischte das Ganze und stellte den Blechnapf aufs Feuer. Etwas später gab sie zehn Handvoll
feinkörnigen Kuskusgrieß dazu. Wieder vermengte sie all diese Zutaten, legte den Deckel auf den Blechnapf und stellte die Flamme kleiner. Wir warteten etwas über eine Viertelstunde neben dem kochenden Napf. Sie setzte sich auf den Boden und nahm mich in den Schoß. Ich hielt noch immer die brennende Kerze in der Hand. Hadda behandelte mich wie ein kleines Kind. Sie legte die Arme um mich und sang mir sogar ein Wiegenlied vor.
    Schlaf, schlaf, Kindchen.
    Schlaf, bald ist unser Abendessen bereit.
    Schlaf, schlaf, Kindchen.
    Und wenn unser Abendessen nicht fertig ist,
    Dann sicher das der Nachbarn.
    Und du wirst essen.
    Und du wirst schlafen.
    Schlaf, schlaf, Kindchen.
    Â 
    Schlaf.
    Zwei Minuten vor Ende der Kochzeit gab Hadda zwei große Löffel hausgemachter ranziger Butter in den Napf dazu. Dann löschte sie das Feuer und servierte mir eine große Schale Hsoua . Sie schmeckte gut, köstlich, göttlich. Ich aß die erste Schale ziemlich schnell leer. Hadda servierte mir eine zweite, dann eine dritte. Sie aber aß nichts, sie durfte nicht, dazu hatte sie kein Recht. Sie betrachtete mich nur und schärfte mir mit ihren Augen alle Etappen für die Zubereitung der Hsoua mit hausgemachter ranziger Butter ein.
    Hadda wusste zweifelsohne, dass es für ein Kind immer gefährlich ist, mit leerem Magen zu schlafen. Schon seit Langem war ich kein Kind mehr. In dem Traum mit Hadda stellte sich bei mir ein Geschmack aus der Kindheit wieder ein. Ein Aroma, das ich von meiner Mutter kannte,
verband ich ab sofort mit dieser schwarzen, stummen Frau.
    Fast während der ganzen Nacht war der Traum nur dies, diese Lehrstunde im Kochen, diese Bindung mittels Nahrung, diese ganz neuartige Annäherung, Körper an Körper, und in unserer Mitte eine kleine Kerze. Das Gute bleibt möglich. Die Schlemmerei nimmt kein Ende. Mein Bauch, der

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