Der Tanz Der Klingen
überwand, als er gebunden wurde, und diese Erinnerung hat mir den Mut gegeben zu tun, was ich heute Abend tun musste. Es war nicht leicht, ihn zu mögen, dennoch besaß er einige bewundernswerte Eigenschaften.«
»Ja«, pflichtete Ringwald ihr bei. »Er hat mich heute Nacht unterstützt, als er Gelegenheit hatte, eine alte Rechnung zu begleichen. Er gab mir die Möglichkeit zu leben, als er wusste, dass er sterben würde. Und vor allem hat er seine Pflicht getan. Wenn ich dies hier überlebe, werde ich seinen Brüdern im Orden von seinen Heldentaten berichten.«
»Wenn ich überlebe, lasse ich eine Statue für ihn errichten.«
Dann rief Trudy herab, dass alles in Ordnung sei, und die Herzogin kletterte weiter. Weitere Hautabschürfungen in Kauf nehmend zwängte Ringwald sich durch die Enge und folgte ihr.
Kurz darauf hallte ein Freudenschrei von oben herab. »Moos!« Und dann: »Ich bin oben!«
Bald gelangte er zu den Frauen in eine felsgesäumte Senke. Kalter, wunderbarer Regen troff aus der Schwärze über ihnen herab und fiel auf die Blätter von Büschen und dürren Bäumen, die inmitten des eingestürzten, moosüberwucherten Mauerwerks sprossen. Der Himmel war noch dunkel, aber von irgendwo erhellte ein matter Schein die freistehende Außenwand der Feste, welche einer leeren Tonne mit ein paar blinden, schwarzen Fenstern glich.
»Dort oben ist ein Licht.« Trudy deutete in die Richtung. Warum flüsterte sie plötzlich?
»Sollen wir rufen?«, fragte Ringwald.
»Nein, Liebster! Sehen wir besser erst nach.« Trudy ging eine lange, gekippte Steinplatte entlang voraus hinauf. Dabei verwendete sie immer noch das Schwert des Grafen als Stock, denn die moosbewachsene Oberfläche war glitschig. Schattenherren mochten nicht die einzige lauernde Gefahr sein; die Laternen würden sie schon bald verraten. Oben konnten sie zwar besser sehen, doch die Quelle des Feuerscheins lag immer noch hinter Bäumen verborgen.
Ringwald deutete nach links. »Seht ihr dasselbe wie ich?« Die anderen sahen es nicht, aber schließlich gereichte die Nachtsicht von Klingen selbst Katzen zur Ehre. »Da ist eine Treppe! «
Sie mussten über weitere Steine klettern, um sie zu erreichen, doch wenigstens befanden sie sich nun unter freiem Himmel und brauchten sich nicht mehr wie Würmer durch einen Sandhügel zu winden. Die Treppe verlief entlang der gewundenen, freistehenden Außenmauer der Feste. Einst hatte sich auch auf der Innenseite der Treppe eine Mauer befunden, von der jedoch wenig übrig geblieben war. Die schmalen Stufen waren abgetreten, überraschend frei von Geröll und eindeutig leichter zu bewältigen als der Hügel unsteten, eingestürzten Mauerwerks, den die Flüchtigen gerade hinter sich gelassen hatten. Dies mochte die Lösung sein. Eine Treppe konnte Ringwald gegen eine ganze Armee von Schattenherren verteidigen, zumal sie ihn einzeln angreifen müssten.
»Weiter und rauf?«, erkundigte er sich, wobei er unwillkürlich flüsterte.
»Sicher doch«, bestätigte Johanna. »Zu erfrieren wäre jedenfalls keine Verbesserung der gegenwärtigen Lage.«
»Trudy?«, fragte Ringwald. »Was ist denn los? Riechst du die Schattenherren noch immer?«
»Ja.« Sie drehte sich um und starrte zu dem Feuer empor. »Und dort oben noch etwas anderes. Ich weiß nicht, was es ist.«
Eine unbekannte Beschwörung ließ Vamky vermuten.
»Du gehst voraus«, schlug Ringwald vor. »Ihr geht als Nächstes, Euer Gnaden.«
Die uralten Stufen waren verwittert und gesprungen – an manchen Stellen halb abgebröckelt –, doch irgendjemand hatte sie von Geröll befreit. Der unbekannte, pflichtbewusste Hausmeister musste lange vor dieser Zeit gelebt haben, schloss Ringwald, denn auf zahlreichen Stufen hatte sich seither Laubmulch gebildet, aus dem Gras spross.
Nach einem kurzen Aufstieg gelangten sie auf Baumhöhe und hielten inne, um einen ersten echten Blick auf das albtraumhafte Gelände zu werfen, dem sie soeben entronnen waren. Die Mitte der Festung war in ein Gewirr zerborstener Steine eingestürzt, in dem sich mittlerweile allerlei Pflanzenwuchs ausgebreitet hatte. Die große Außenmauer selbst präsentierte sich nahezu unversehrt. An manchen Stellen waren daran noch, gleich vereinzelten Honigwaben, Überreste des inneren Aufbaus zu sehen – Teile von Böden, Wänden, sogar Räumen. Das Feuer brannte in einem jener puppenhausgroßen Halbzimmer im einstigen obersten Stockwerk. Der Schein der Flammen warf einen matten Schimmer auf das Innere der Feste, und
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