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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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niedergeschrieben –, Ente in Cognac. Kniptash hatte den Ehrenplatz seinem Pfannkuchen-Horror vorbehalten. Coleman hatte sich schwankend für Schinken mit
kandierten Süßkartoffeln entschieden, war aber umgestimmt worden. Innerlich zerrissen, hatte er sowohl Kniptashs als auch Donninis Wahl auf seine erste Seite geschrieben und eine
endgültige Entscheidung einstweilen zurückgestellt. Jetzt quälte Kniptash ihn mit einer Modifizierung seiner Greueltat. Donnini seufzte. Coleman war schwach. Vielleicht würde
Kniptashs neue Verfeinerung ihn betören, und die Anitra al Cognac würde seiner vollends verlustig gehen.
    »Der Honig kommt raus«, sagte Kniptash fest. »Ich wußte sowieso nicht so recht. Jetzt weiß ich, daß er völlig falsch ist. Honig paßt nicht zu Eiern
paßt er nämlich nicht.«
    Coleman radierte. »Ja, und nun?« sagte er erwartungsvoll.
    »Heißer Sirup obendrauf«, sagte Kniptash. »Einen großen Klecks heißen Sirup –, einfach drauf und langsam runterlaufen lassen.«
    »Mmmmmmmmmmm«, sagte Coleman.
    »Essen, Essen, Essen«, maulte Stabsunteroffizier Kleinhans. »Jeden Tag, jeden Tag, alles, was ich höre, ist Essen. Steht auf. An die Arbeit! Ihr mit euern verdammten
blöden Notizbüchern. Noch dazu geplündert. Dafür kann ich euch erschießen.« Er schloß die Augen und seufzte. »Essen«, sagte er, milder gestimmt.
»Was hat es für einen Sinn, darüber zu reden, darüber zu schreiben? Redet über Mädchen. Redet über Musik. Redet über Schnaps.« Mit ausgebreiteten
Armen rief er den Himmel zum Zeugen an. »Was für Soldaten sind das, die den ganzen Tag mit dem Austauschen von Rezepten zubringen?«
    »Sie haben doch auch Hunger, stimmt’s?« sagte Kniptash. »Was haben Sie gegen Essen?«
    »Ich kriege völlig ausreichend zu essen«, sagte Kleinhans leichthin.
    »Sechs Scheiben Schwarzbrot und drei Napf Suppe pro Tag –, das soll ausreichend sein?« sagte Coleman.
    »Das ist viel«, behauptete Kleinhans. »Es geht mir besser. Vor dem Krieg hatte ich Übergewicht. Jetzt bin ich wieder so flott wie als junger Mann. Vor dem Krieg hatten
alle Übergewicht. Die Leute lebten, um zu essen, anstatt zu essen, um zu leben.« Er lächelte matt. »Deutschland war nie gesünder.«
    »Ja, aber haben Sie keinen Hunger?« ließ Kniptash nicht locker.
    »Essen ist nicht das einzige in meinem Leben, nicht das Wichtigste«, sagte Kleinhans. »Los jetzt, aufstehen!«
    Kniptash und Coleman erhoben sich widerstrebend. »Sie haben Mörtel oder so was in der Mündung Ihres Gewehrlaufs, Väterchen«, sagte Coleman. Sie schlurften langsam
zurück auf die mit Schutt übersäte Straße, wobei Kleinhans die Nachhut übernahm, mit einem Streichholz Mörtel aus der Mündung seines Flintenlaufs polkte und
gleichzeitig die Notizbücher brandmarkte.
    Donnini suchte sich unter Millionen einen kleinen Stein aus, trug ihn zum Fahrbahnrand und legte ihn Kleinhans zu Füßen. Er hielt kurz inne, die Hände in die Hüften
gestemmt. »Heiß«, sagte er.
    »Gerade richtig zum Arbeiten«, sagte Kleinhans. Er setzte sich auf den Kantstein. »Was waren Sie im Zivilleben? Koch?« sagte er nach langem Schweigen.
    »Ich habe meinem Vater in seinem italienischen Restaurant in New York geholfen.«
    »Ich hatte mal eins in Breslau«, sagte Kleinhans. »Das ist lange her.« Er seufzte. »Kommt einem jetzt idiotisch vor, wieviel Zeit und Energie die Deutschen darauf
verwandt haben, sich mit fettem Essen vollzustopfen. Was für eine idiotische Verschwendung.« Er sah an Donnini vorbei, und sein Blick verfinsterte sich. Er drohte Coleman und Kniptash
mit dem Finger. Sie standen mitten auf der Straße, jeder in der einen Hand einen Stein von der Größe eines Baseballs, ein Notizbuch in der anderen.
    »Meiner Ansicht nach war das mit saurer Sahne«, sagte Coleman gerade.
    »Packt diese Bücher weg!« befahl Kleinhans. »Habt ihr denn kein Mädchen? Sprecht über euer Mädchen!«
    »Natürlich habe ich ein Mädchen«, sagte Coleman gereizt. »Heißt Mary.«
    »Ist das alles , was man über sie wissen muß?« sagte Kleinhans.
    Coleman blickte verwirrt drein. »Mit Nachnamen Fiske –, Mary Fiske.«
    »Na, und ist diese Mary Fiske hübsch? Was treibt sie so?«
    Coleman verengte nachdenklich die Augen. »Einmal habe ich unten auf sie gewartet und ihrer alten Dame zugesehen, wie sie Zitronenbaisers gemacht hat«, sagte er. »Sie hat ein
bißchen Zucker und etwas Stärkemehl und eine Prise Salz genommen und mit ein paar Tassen

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