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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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zu machen«, sage ich ihm. »Als ich getroffen wurde, habe ich geweint wie ein Baby und versucht, meinen eigenen Hauptmann umzubringen.
Wenn ihn nicht eine Kugel umgebracht hätte, hätte ich das gemacht, und er war ein amerikanischer Mitbürger.«
    Hätte ich wirklich.
    Und ich sage ihm, daß ich außerdem ins Jahr zweitausendsiebenunddreißig zurückdesertieren würde, sobald sich auch nur die kleinste Möglichkeit böte.
    Da hätten wir schon zwei Fälle für das Kriegsgericht.
    Aber den vielen Helden hier scheint das nichts auszumachen. »Das geht dann schon in Ordnung, Kumpel«, sagen sie, »rede du nur weiter. Wenn jemand versucht, dich vors
Kriegsgericht zu stellen, werden wir alle schwören, daß wir gesehen haben, wie du mit bloßen Händen Deutsche umgebracht hast und dir dabei Feuer aus den Ohren gekommen
ist.«
    Sie hören mich gern reden.
    So liege ich hier, blind wie eine Fledermaus, und erzähle ihnen, wie ich hierhergekommen bin. Ich erzähle ihnen all die Sachen, die ich so deutlich innen in meinem Kopf
sehe –, die Weltstreitkräfte, alle Menschen überall wie Brüder, immerwährender Friede, keiner hungert, keiner hat Angst.
    Auf die Weise bin ich zu meinem Spitznamen gekommen. Im Lazarett weiß kaum jemand, wie ich wirklich heiße. Ich weiß nicht, wer zuerst darauf gekommen ist, aber alle nennen mich
Verheißung.

DARWIN
    HAT KRIEG UND
    VÖLKERMORD
    DAS GÜTESIEGEL
    DER WISSENSCHAFT
    VERPASST .

KANONEN STATT BUTTER
    I.
    M an nimmt nämlich ein Hühnchen zum Braten, zerkleinert es und bräunt es mit zerlassener Butter und
Olivenöl in einer heißen Pfanne«, sagte der Gefreite Donnini. »In einer bereits genügend erhitzten Bratpfanne«, fügte er gedankenschwer hinzu.
    »Augenblick mal«, sagte der Gefreite Coleman, der wie wild in ein kleines Notizbuch schrieb. »Wie groß ist das Huhn?«
    »Etwa vier Pfund.«
    »Für wie viele Personen?« fragte der Gefreite Kniptash scharf.
    »Genug für vier«, sagte Donnini.
    »Vergiß nicht, daß ein Huhn aus ziemlich viel Knochen besteht«, sagte Kniptash argwöhnisch.
    Donnini war Gourmet; oftmals war ihm die Redensart »Perlen vor die Säue« eingefallen, während er Kniptash beschrieb, wie man dies oder jenes Gericht zubereitete. Kniptash
waren Geschmack oder Aroma egal –, für ihn zählte nur die schiere Nahrhaftigkeit, die flächendeckende Kalorienbombe. Indem er in seinem Notizbuch Rezepte aufzeichnete, war
Kniptash geneigt, die Portionen als knauserig zu betrachten und alle betreffenden Mengenangaben zu verdoppeln.
    »Von mir aus kannst du alles selbst fressen«, sagte Donnini gelassen.
    »Okay, okay, also was macht man als nächstes?« sagte Coleman, den Bleistift bereit.
    »Man bräunt es etwa fünf Minuten lang von jeder Seite an, gibt Sellerie, Zwiebeln und Karotten hinzu, alles fein gehackt, und würzt nach Belieben.« Donnini
schürzte die Lippen, als koste er. »Dann, während es schmort, eine Mischung aus Sherry und Tomatenmark hinzufügen. Deckel drauf. Etwa dreißig Minuten lang köcheln
lassen und –« Er hielt inne. Coleman und Kniptash schrieben nicht mehr mit, hatten sich gegen die Mauer zurückgelehnt, die Augen geschlossen – und lauschten.
    »Das ist gut«, sagte Kniptash träumerisch, »aber wißt ihr, was ich als allererstes kriege, wenn ich wieder in den Staaten bin?«
    Donnini ächzte innerlich. Er wußte es. Er hatte es hundertmal gehört. Kniptash war sicher, daß es kein Gericht auf der Welt gab, welches seinen Hunger stillen konnte,
deshalb hatte er eins erfunden, ein kulinarisches Monster.
    »Zuerst«, sagte Kniptash heftig, »werde ich mir ein Dutzend Pfannkuchen bestellen. ›Genau das habe ich gesagt, Fräulein‹«, wandte er sich nun an eine
imaginäre Kellnerin, »›zwölf!‹ Die müssen sie dann mit Spiegeleiern dazwischen aufstapeln. Wißt ihr, was ich dann machen werde?«
    »Honig drübergießen!« sagte Coleman. Er teilte Kniptashs viehischen Appetit.
    »Aber jede Wette!« sagte Kniptash mit leuchtenden Augen.
    » Phooey «, sagte Stabsunteroffizier Kleinhans, ihr kahler deutscher Bewacher, lustlos. Donnini schätzte, daß der alte Mann etwa
fünfundsechzig Jahre alt war. Kleinhans neigte dazu, geistesabwesend, gedankenverloren zu sein. In der Wüste Nazideutschlands war er eine Oase des Mitgefühls und der Inkompetenz. Er
sagte, er habe sein passables Englisch vier Jahre lang als Kellner in Liverpool gelernt. Mehr wollte er nicht über seine Erfahrungen in England sagen, stellte

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