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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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sagte der Oberst, und sein Gesicht rötete sich. » Da ran liegt es. Raus damit!«
    Kleinhans zog hastig zwei Notizbücher aus der Brusttasche und knöpfte sie zu. Er seufzte vor Erleichterung.
    »Und was steht in Ihren Notizbüchern, na? Eine Liste von Gefangenen? Vielleicht Minuspunkte im persönlichen Führungszeugnis? Zeigen Sie her.« Der Oberst entriß
sie den kraftlosen Fingern. Kleinhans rollte die Augen.
    »Was ist das?« sagte der Oberst ungläubig, und seine Stimme wurde noch höher, Kleinhans setzte zum Sprechen an. »Ruhe, Stabsunteroffizier!« Der Oberst
lüpfte die Augenbrauen und hielt das eine Notizbuch so, daß auch der Feldwebel etwas zu sehen bekam. »Fass ich zuallererst essen ferte, fenn ich nach Hause komme«, las er
langsam.
    Er schüttelte den Kopf. »Ach! ›Zfölf Pfannkuchen und dazfischen je ein Spiekelei!‹ Oh! ›Und mit heißem Ssirup opentrauf!‹« Er wandte sich
an Kleinhans. »Ist es das, was Sie sich wünschen, Sie armer Junge?« sagte er auf deutsch. »Und dazu so ein schönes Bildchen gezeichnet. Mmmm.« Er griff nach
Kleinhans’ Schultern. »Stabsunteroffiziere müssen immer an den Krieg denken. Gefreite dürfen an alles denken, was sie wollen – Mädchen, Essen, lauter so gute
Sachen –, solang sie tun, was ihnen die Stabsunteroffiziere sagen.« Geschickt, als hätte er dergleichen schon oft getan, ergriff der Oberst Kleinhans’
Schulterstücke. Schlapp prallten sie an der am weitesten entfernten Barackenwand ab. »Gefreite haben es gut.«
    Erneut räusperte sich Kleinhans, wollte um Sprecherlaubnis bitten.
    »Schnauze, Gefreiter!« Der kleine Oberst stolzierte aus der Baracke und zerfetzte im Gehen die Notizbücher.
    III.
    Donnini fühlte sich mies, und ebenso mies fühlten sich, das wußte er, Kniptash und Coleman. Es war der Morgen nach Kleinhans’ Degradierung.
Äußerlich ließ Kleinhans sich nichts anmerken. Er schritt so rüstig aus wie immer, und er schien immer noch fähig, aus der frischen Luft sowie den Frühlingsboten,
die sich aus den Ruinen bohrten, Vergnügen zu ziehen.
    Als sie in ihrer Straße ankamen, die immer noch unpassierbar war, sogar für Fahrräder, trotz drei Wochen Strafeinsatz, setzte Kleinhans sie nicht unter Druck wie noch am
Nachmittag zuvor. Er befahl ihnen auch nicht, beschäftigt zu tun, wie er das all die Tage getan hatte. Statt dessen führte er sie direkt zu der Ruine, in der sie ihre Mittagspausen
verbracht hatten, und bedeutete ihnen, sie sollten Platz nehmen. Kleinhans schien zu schlafen. So saßen sie schweigend dort, und an den Amerikanern nagte die Reue.
    »Es tut uns leid, daß Sie unseretwegen Ihre Schulterstücke verloren haben«, sagte Donnini schließlich.
    »Gefreite haben es gut«, sagte Kleinhans düster. »Zwei Kriege habe ich mitgemacht, um Stabsunteroffizier zu werden. Jetzt«, er schnipste mit den Fingern,
»paff. Kochbücher sind verboten. «
    »Hier«, sagte Kniptash mit bebender Stimme. »Möchten Sie was zu rauchen? Ich habe eine ungarische Zigarette.« Er hielt ihm die kostbare Zigarette hin.
    Kleinhans lächelte matt. »Lassen wir sie herumgehen.« Er zündete sie an, nahm einen Zug und gab sie an Donnini weiter.
    »Woher hast du eine ungarische Zigarette?« fragte Coleman.
    »Von einem Ungarn«, sagte Kniptash. Er zog die Hosenbeine hoch. »Hab meine Socken dafür eingetauscht.«
    Sie rauchten die Zigarette fertig und lehnten sich gegen das Mauerwerk. Immer noch hatte Kleinhans nichts über Arbeit gesagt. Wieder schien er weit entfernt, in Gedanken verloren.
    »Sprecht ihr Jungens gar nicht mehr über Ernährung?« sagte Kleinhans endlich, nach weiterem langem Schweigen.
    »Seitdem Sie Ihre Schulterstücke verloren haben, nicht mehr«, sagte Kniptash ernst.
    Kleinhans nickte. »Das geht schon in Ordnung. Wie gewonnen, so zerronnen.« Er leckte sich die Lippen. »Ziemlich bald wird dies aus und vorbei sein.« Er machte es sich
bequem und reckte sich. »Und wißt ihr, was ich an dem Tag machen werde, an dem endgültig Schluß ist, Jungens?« Der Gefreite Kleinhans schloß die Augen. »Ich
werde drei Pfund Rinderschulter besorgen und sie mit Speckstreifen spicken. Dann werde ich sie mit Knoblauch einreiben, pfeffern und salzen und mit Weißwein und Wasser in einen Topf aus
Steingut legen, sowie natürlich auch mit –«, seine Stimme wurde durchdringend, »– Zwiebeln und Lorbeerblättern und Zucker –«, er stand auf,
»– und Pfefferkörnern! In zehn Tagen, Jungens, ist er dann

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