Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)
die sie im Herzen doch waren, und ihren einzigen Feind, den Teufel, für immer von der Erde verjagen.
Noch viele Monate nach Pines Ansage war es fast nötig, eine Großmutter zu kochen oder mit einer Streitaxt im Waisenhaus Amok zu laufen, um in der Zeitung auf die erste Seite zu
kommen. Alle Nachrichten drehten sich um Armageddon. Männer, die ihre Leser mit schnurrigen Berichten von den Aktivitäten in Verdigris unterhalten hatten, wurden über Nacht zu
nüchternen Spezialisten für Angelegenheiten wie Teufelsgongs aus Bratpur, die Wirksamkeit von Kreuzen an Schuhsohlen, die Schwarze Messe und verwandte Überlieferungen. Die Post war
adventsmäßig mit Briefen an die Vereinten Nationen, Kabinettsmitglieder und das Pine-Institut verstopft. Fast jeder hatte offenbar schon immer gewußt, daß bei allem der
Teufel dahintersteckte. Viele sagten, sie hätten ihn gesehen, und fast alle wußten ziemlich genau, wie man ihn loswerden konnte.
Wer all das für verrückt hielt, fand sich in der Rolle eines Sterbekassenakquisiteurs auf der Geburtstagsparty wieder, und die meisten zuckten die Achseln und hielten den Mund. Wer
nicht den Mund hielt, wurde ohnehin nicht gehört.
Zu den Zweiflern gehörte Dr. Gorman Tarbell. »Himmel auch«, sagte er reuig, »wir wissen nicht, was wir mit den Experimenten bewiesen haben. Sie waren doch nur ein Anfang.
Es ist noch viele Jahre zu früh, um zu sagen, ob wir über den Teufel gearbeitet haben oder was. Jetzt hat Pine so auf die Pauke gehauen, daß alle glauben, man müsse sich nur
irgendeinen Schnokus oder sonstwas auf den Kopf setzen, und die Erde wird wieder Eden.« Niemand hörte zu.
Pine, der ohnehin bankrott war, übergab das Institut an die UNO , und UNDICO , das Dämonologische Untersuchungskommittee der Vereinten
Nationen, wurde gebildet. Dr. Tarbell und ich wurden zu den amerikanischen Delegierten bei dem Kommittee ernannt, welches sein erstes Treffen in Verdigris abhielt. Ich wurde zum Vorsitzenden
gewählt, und, wie Sie wohl bereits erwartet haben, zum Opfer vieler flauer Witzchen darüber, daß ich wegen meines Namens der perfekte Mann für den Job wäre.
Es war sehr deprimierend für das Kommittee, daß von ihm so viel erwartet – ja, verlangt – worden war und daß es so wenig Kenntnisse hatte, mit denen es
arbeiten konnte. Unser Auftrag vom Volk der Welt war nicht die Verhütung von Geisteskrankheiten, sondern die Ausschaltung des Teufels. Nach und nach und unter schrecklichem Druck fertigten wir
jedoch einen Plan an, entworfen zum größten Teil von Dr. Tarbell.
»Wir können überhaupt nichts versprechen«, sagte er. »Alles, was wir tun können, ist, diese Gelegenheit zur Durchführung weltweiter Experimente wahrnehmen.
Es geht hier ausschließlich um Annahmen, kann also gar nichts schaden, wenn wir noch ein bißchen was annehmen. Nehmen wir zum Beispiel an, daß der Teufel wie eine Epidemie ist,
und gehen wir entsprechend gegen ihn vor. Wenn wir es ihm unmöglich machen, in irgendwem irgendwo ein behagliches Plätzchen zu finden, verschwindet oder stirbt er vielleicht, oder er
verzieht sich auf einen anderen Planeten, oder was der Teufel sonst so macht, falls es einen Teufel gibt.«
Wir schätzten, daß es etwa $ 20 000 000 000,– kosten würde, jeden Mann, jede
Frau und jedes Kind mit einem Paar dieser elektrischen Kopfhörer auszustatten, zuzüglich weiterer $ 70 000 000 000,– pro Jahr für Batterien. Für moderne Kriegführung war der Preis durchaus angemessen. Wir fanden aber bald heraus, daß die Menschen nicht gewillt
waren, so viel Geld auszugeben, wenn dabei für sie kein Blutvergießen heraussprang.
Deshalb schien uns die Turmbau-zu-Babel-Technik praktikabler. Reden ist Silber bzw. kostet nichts bzw. ist weit billiger als Elektrogeräte. Deshalb lautete UNDICO s
erste Empfehlung, daß auf der ganzen Welt Zentren eingerichtet und überall die Menschen entsprechend ihren überlieferten Zwangsmethoden – ein leichtverdienter Dollar oder
ein Bajonett oder die Angst vor ewiger Verdammnis – dazu ermuntert werden sollten, regelmäßig diese Zentren aufzusuchen, um ihr Herz über Kindheit und Sex
auszuschütten.
Die Reaktionen auf diese erste Empfehlung, dies erste Zeichen, daß das UNDICO tatsächlich vorhatte, dem Teufel ernsthaft Beine zu machen, enthüllten eine
tiefe Unterströmung von Beklommenheit im reißenden Fluß der Begeisterung. Viele Führer mauerten, und vage Einwände, schwammig formuliert,
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