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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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Operation ab. Aber Dr. Tarbell überging meine Einwände und
überzeugte Pine, daß man Teufelstheorien nur testen konnte, wenn man an einer großen Zahl von Probanden experimentierte. Die Operation Rattenloch war ein Versuch, die Bezirke
Nowata, Craig, Ottawa, Delaware, Adair, Cherokee, Wagoner und Rogers teufelsfrei zu machen. Zum Vergleich sollte der Bezirk Mayes, inmitten der anderen, ungeschützt bleiben.
    In den ersten vier Bezirken wurden 97   000 Paar Kopfhörer ausgegeben, die, gegen einen kleinen Anerkennungsbetrag, Tag und Nacht getragen werden sollten. In den letzten vieren wurden
Zentren eingerichtet, in denen, gegen einen kleinen Anerkennungsbetrag, die Versuchspersonen mindestens zweimal pro Woche ihr Herz über ihre Vergangenheit ausschütten sollten. Ich
übertrug die Geschäftsführung dieser Zentren einem Assistenten. Ich konnte sie nicht ausstehen; die Luft dort war ständig mit Selbstmitleid und den langweiligsten Wehklagen
angefüllt, die man sich nur vorstellen konnte.
    Drei Jahre später überreichte Dr. Tarbell Jessie L. Pine einen vertraulichen Fortschrittsbericht über die Experimente und begab sich danach wegen akuter Erschöpfung ins
Krankenhaus. Er hatte einen vorläufigen Bericht erstellt, hatte Pine beschworen, ihn niemandem zu zeigen, bevor weitere – viele weitere – Arbeiten abgeschlossen
seien.
    Es war für Tarbell ein schrecklicher Schock, als er im Radio in seinem Krankenzimmer einen Ansager hörte, der Pine in einer von Küste zu Küste ausgestrahlten Sendung
ankündigte, und dann hörte er, wie Pine nach einer unzusammenhängenden Einleitung sagte:
    »In diesen acht Bezirken, die wir beschützt haben, war niemand vom Teufel besessen. Viele alte Fälle, aber keine neuen, außer fünf, die nix gesagt haben, und siebzehn,
bei denen die Batterie alle war. Und die ganze Zeit haben wir die Leute im Bezirk Mayes patsch peng mittendrin sich, so gut sie konnten, selbst überlassen, und die sind so normal wie immer zur
Hölle gefahren ...
    ... weil nämlich der ganze Ärger mit der Welt ist und war, daß es den Teufel gibt«, schloß Pine. »Also, wir haben ihn aus Nordost-Oklahoma weggejagt,
außer aus dem Bezirk Mayes, und ich stelle mir vor, von da können wir ihn auch verjagen und dann das Antlitz der Erde von ihm säubern. Die Bibel sagt, es kommt nach und nach zur
großen Schlacht zwischen Gut und Böse. Soweit ich daraus schlau werde, ist sie das hier.«
    »Der alte Narr!« schrie Tarbell. »Mein Gott, was wird jetzt geschehen?«
    Pine hätte sich keinen besseren Moment in der Geschichte aussuchen können, um seine Ankündigung explosiver wirken zu lassen. Bedenken Sie die Zeitumstände: die Welt war, wie
durch irgendeinen bösartigen Zauber, in zwei Hälften geteilt, die einander spinnefeind waren und mit einer Serie von Übergriffen und Gegenübergriffen begonnen hatten, die, wie
es schien, nur in einer Katastrophe enden konnten. Niemand wußte, was zu tun war. Das Geschick der Menschheit schien der Kontrolle durch Menschen entglitten zu sein. Jeder Tag war mit
verzweifelter Hilflosigkeit erfüllt, und die Nachrichten des Tages waren schlimmer als die Nachrichten des Vortages.
    Dann kam aus Verdigris, Oklahoma, die Ansage, der Ärger mit der Welt komme daher, daß der Teufel frei herumlaufe. Und zu der Ansage gehörte eine Offerte, nämlich die,
daß man einen Beweis liefern würde, plus ein Lösungsvorschlag!
    Der Seufzer der Erleichterung, der sich von der Erde erhob, muß in anderen Milchstraßensystemen zu hören gewesen sein. Der Ärger mit der Welt waren nicht die Russen oder
die Amerikaner oder die Chinesen oder die Briten oder die Naturwissenschaftler oder die Generäle oder die Finanzheinis oder die Politiker oder, Gott sei gepriesen, die Menschenwesen
allüberall, die armen Schweine. Mit den Menschen war alles in Ordnung, und sie waren anständig und unschuldig und schlau, und es war der Teufel, der ihnen ihre gutherzigen Unternehmungen
vergällte. Die Selbstachtung jedes Menschen wuchs ums Tausendfache, und niemand, außer dem Teufel, verlor das Gesicht.
    Politiker aller Länder eilten an die Mikrofone, um Erklärungen gegen den Teufel abzugeben. Leitartikler überall bezogen dieselbe unerschrockene Stellung –, gegen den
Teufel. Für ihn war niemand.
    In den Vereinten Nationen brachten die kleinen Nationen einen Antrag ein, welcher besagte, daß die großen Nationen sich alle bei der Hand fassen sollten wie die liebevollen
Kinderchen,

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