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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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Himmel sei Dank, daß Schenectady nahebei war. Ich rief einen Elektroingenieur vom Union College an, und innerhalb einer Dreiviertelstunde hatte er eine primitive Luftschleuse erdacht
und angebracht, durch die Dr. Tarbell mit Luft und Wasser und Nahrung versorgt werden konnte, die aber immer eine elektrifizierte, teufelssichere Barriere zwischen ihm und der Außenwelt
errichtete.
    Gewiß ist der herzzerreißendste Aspekt des tragischen Sieges über den Teufel Dr. Tarbells geistiger Verfall. Nichts ist von diesem herrlichen Instrument übriggeblieben.
Statt dessen ist da etwas, was seine Stimme und seinen Körper benutzt, etwas, was winselt und schmeichelt und versucht, dadurch Mitleid und Freiheit zu erlangen, daß es –
neben anderen bitteren Lügen – ruft, Tarbell sei von mir in die Trommel gesperrt worden. Meine Rolle in dieser Sache war, wenn ich das so sagen darf, nicht ohne Schmerzen und
Opfer.
    Da die Affäre Tarbell, hélas, kontrovers ist, und da unser Land aus Gründen der Propaganda offiziell nicht zugeben kann, daß der Teufel hier gefangen wurde, muß die
Tarbell-Schutzstiftung ohne öffentliche Mittel auskommen. Die Kosten für die Unterhaltung der Teufelsfalle und ihres Inhalts wurden bisher durch Spenden von Menschen aufgefangen, denen
das Wohl des Volkes am Herzen liegt, wie Sie, lieber Freund, einer sind.
    Die bisherigen und die beantragten Ausgaben der Stiftung sind im Verhältnis zum Nutzen, den die gesamte Menschheit daraus zieht, extrem bescheiden. Wir haben nicht mehr zur Verbesserung der
bestehenden Anlage unternommen als unbedingt nötig. Die Kirche wurde mit einem neuen Dach und einem Anstrich und einer Isolierung und einer Umzäunung versehen, morsches Bauholz wurde
durch gesundes ersetzt, eine Heizung und ein Hilfsgenerator wurden eingebaut. Sie werden mir beipflichten, daß all diese Posten von entscheidender Bedeutung sind.
    Trotz den Beschränkungen jedoch, die wir unseren Ausgaben auferlegt haben, muß die Stiftung feststellen, daß ihre finanziellen Mittel durch das Wüten der Inflation
ernstlich erschöpft sind. Was wir für kleine Verbesserungen beiseite gelegt hatten, wurde durch reine Instandhaltung aufgezehrt. Die Stiftung beschäftigt ein Rumpf-, nein, ein
Skelett-Personal von drei bezahlten Hausmeistern, die in Schichten rund um die Uhr arbeiten, indem sie Dr. Tarbell füttern, sensationslüsterne Gaffer fernhalten und die lebenswichtigen
elektrischen Apparaturen warten. Dies Personal kann nicht reduziert werden, ohne die unvergleichliche Katastrophe heraufzubeschwören, daß sich der Sieg von Armageddon in einem einzigen
unbeobachteten Moment in eine Niederlage verwandelt. Die Direktoren der Stiftung, mich eingeschlossen, dienen ohne Entschädigung.
    Weil mehr zu tun bleibt als schiere Wartungsarbeiten, müssen wir uns nach neuen Freunden umsehen. Deshalb schreibe ich Ihnen. Dr. Tarbells unmittelbare Unterkunft wurde seit jenen
albtraumartigen Monaten in der Trommel vergrößert und besteht nun aus einer kupferverkleideten, isolierten Kammer von zwei Metern vierzig Durchmesser und einem Meter achtzig Höhe.
Aber dies ist, werden Sie zugeben, eine armselige Heimstatt für das, was von Dr. Tarbell übrig ist. Wir hegen die Hoffnung, indem wir an große Herzen wie das Ihre und freigebige
Hände wie die Ihren appellieren, sein Quartier um je ein kleines Arbeits-, Schlaf- und Badezimmer ergänzen zu können. Und neueste Forschungen geben der Hoffnung Raum, daß es
bald möglich sein wird, ihn mit einem unter Strom stehenden Aussichtsfenster zu beschenken, obwohl das sehr kostenintensiv sein wird.
    Doch wie hoch die Kosten auch sein mögen –, nie werden unsere Opfer in ein Verhältnis zu dem zu setzen sein, was Dr. Tarbell für uns getan hat. Und falls die Spenden
von neuen Freunden wie Ihnen hoch genug ausfallen sollten, hoffen wir, zusätzlich zu den Erweiterungsbauten an Dr. Tarbells Quartier noch ein passendes Denkmal vor der Kirche errichten zu
können, welches seine Züge trägt und auf dessen Sockel die unsterblichen Worte stehen sollen, die er nur Stunden bevor er den Teufel bezwang, in einem Brief niederlegte:
    »Falls ich heute nacht Erfolg habe, dann ist der Teufel nicht mehr unter den Menschen. Mehr kann ich nicht tun. Wenn nun andere die Erde von Eitelkeit, Unwissenheit
und Not befreien, wird man dereinst von der Menschheit sagen können: ›Und wenn sie nicht gestorben ist, dann lebt sie heute noch.‹ Dr. Gorman Tarbell«
    Kein Beitrag ist

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