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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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Umlaufbahn bewegte. Bald, jederzeit jetzt, sollte zum erstenmal in der Geschichte eine Nachricht aus dem Weltraum in der Funkzentrale empfangen werden. Die Übertragung sollte im
ultrahohen Frequenzbereich erfolgen, wo noch nie jemand Nachrichten gesendet oder empfangen hatte.
    Die erste Nachricht war überfällig, aber nichts war schiefgegangen –, nichts konnte schiefgehen, beteuerte Dr. Groszinger abermals sich
selbst gegenüber. Maschinen –, Maschinen, nicht Menschen führten den Flug durch. Der Mann an Bord war nur ein Beobachter, von unfehlbaren Elektronengehirnen, flinker als sein
eigenes, an seinen einsamen Aussichtspunkt gelotst. Er hatte ein Kontrollpult in seinem Raumschiff, aber nur für den Sinkflug durch die Atmosphäre, wenn und falls sie ihn aus dem Weltraum
zurückbrachten. Er war für einen mehrjährigen Aufenthalt ausgerüstet.
    Sogar der Mann war so sehr eine Maschine wie möglich, dachte Dr. Groszinger befriedigt. Er war schnell, stark, leidenschaftslos. Psychiater hatten Major Rice aus hundert Freiwilligen
ausgewählt und vorhergesagt, daß er so perfekt funktionieren würde wie die Raketenmotoren, der Metallrumpf und die elektronische Steuerung. Seine Beschreibung: stämmig,
neunundzwanzig Jahre alt, im Zweiten Weltkrieg fünfundvierzig Missionen über Europa ohne ein Anzeichen von Ermüdung, kinderloser Witwer, melancholischer Einzelgänger,
Karrieresoldat, Arbeitstier.
    Die Mission des Majors? Einfach: Wetterbedingungen über Feindesland melden und die Genauigkeit ferngelenkter Atomraketen im Kriegsfall beobachten.
    Major Rice war nun im Sonnensystem fixiert, zweitausend Meilen über der Erde – eigentlich ganz in der Nähe –, die Entfernung von New York nach Salt Lake City,
nicht einmal weit genug weg, um viel von den Eiskappen der Pole zu sehen. Mit einem Fernrohr konnte sich Rice ohne Schwierigkeiten kleine Städte und das Kielwasser von Schiffen heraussuchen.
Es würde atemberaubend sein, die enorme blau-grüne Kugel zu sehen, zu sehen, wie die Nacht um sie herumkroch und Wolken und Gewitter auf ihrem Antlitz wuchsen und wirbelten.
    Dr. Groszinger drückte seine Zigarette aus, steckte sich abwesend fast sofort eine neue an und schlenderte durch den Flur zu dem kleinen Labor, in dem die Funkausrüstung aufgebaut
war.
    Generalleutnant Franklin Dane, Leiter des Projekts Cyclops, saß neben dem Funker, die Uniform zerknittert, den Kragen nicht zugeknöpft. Der General starrte erwartungsvoll den
Lautsprecher an. Der Fußboden war mit Butterbrotpapier und Kippen bedeckt. Vor dem General und dem Funker und neben dem Klappstuhl, auf dem Groszinger wartend die Nacht verbracht hatte,
standen Pappbecher mit Kaffee.
    General Dane nickte Groszinger zu und wedelte ruhegebietend mit der Hand.
    »Able Baker Fox, hier ist Dog Easy Charley. Able Baker Fox, hier ist Dog Easy Charley ...«, leierte der Funker matt, indem er die chiffrierten Namen benutzte. »Können
Sie mich hören, Able Baker Fox? Können Sie ...«
    Der Lautsprecher knackte, dröhnte dann, auf höchste Lautstärke gestellt: »Hier ist Able Baker Fox. Bitte kommen, Dog Easy Charley. Over.«
    General Dane sprang auf und umarmte Groszinger. Sie lachten idiotisch und hauten einander auf den Rücken. Der General entriß dem Funker das Mikrofon. »Sie haben es geschafft,
Able Baker Fox! Genau auf Kurs! Wie ist es, Junge? Was ist das für ein Gefühl? Over.« Groszinger, den Arm um die Schultern des Generals gelegt, beugte sich ungeduldig vor,
näherte sein Ohr dem Lautsprecher auf wenige Zentimeter. Der Funker stellte etwas leiser, damit sie hören konnten, wie Major Rice’ Stimme klang.
    Wieder kam die Stimme durch, leise, zögernd. Der Ton störte Groszinger; er hatte sie klar, scharf, effizient gewollt.
    »Diese Seite der Erde ist gerade dunkel, sehr dunkel. Und mir ist, als würde ich fallen –, genau, wie Sie gesagt haben. Over.«
    »Ist irgendwas los?« fragte der General besorgt. »Sie hören sich an, als ...«
    Der Major unterbrach ihn, bevor er weitersprechen konnte. »Da! Haben Sie das gehört?«
    »Able Baker Fox, wir können überhaupt nichts hören«, sagte der General und sah Groszinger verblüfft an. »Was ist das da? Haben Sie irgendwelche
Nebengeräusche in Ihrem Empfänger? Over.«
    »Ein Kind«, sagte der Major. »Ich höre ein Kind weinen. Und jetzt – hören Sie hin! – jetzt versucht ein alter Mann, es zu trösten.«
Seine Stimme schien weiter entfernt, als spräche er nicht mehr direkt

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