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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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um einen Verkauf gebracht.«
    »Ich gebe Ihnen zwei Minuten, Mr. Daggett. Da können Sie die Bank anrufen und herausfinden, ob ich das Geld habe, oder ich besorge mir mein Auto woanders.«
    Daggett rief die Bank an. »George, hier ist Bill Daggett.« Er warf ein hochnäsiges Lachen dazwischen. »Sehen Sie, George, Kiah Higgins will mir einen Scheck über
sechstausendfünfhundert Dollar schreiben ... Das habe ich auch gesagt. Doch, ich schwöre, daß er ... Okay, ich warte.« Er trommelte auf die Schreibtischplatte und
vermied es, Kiah anzusehen.
    »Schön, George. Danke.« Er legte auf.
    »Und?« sagte Kiah.
    »Ich habe nur angerufen, um meine Neugier zu befriedigen«, sagte Daggett. »Gratuliere. Ich bin sehr beeindruckt. Zurück an die Arbeit.«
    »Es ist mein Geld. Ich habe es verdient«, sagte Kiah. »Ich habe vier Jahre lang gearbeitet und gespart –, vier lausige, lange Jahre. Jetzt will ich das
Auto.«
    »Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
    »Dieses Auto ist alles, woran ich denken kann, und jetzt wird es mir gehören, das verdammteste Auto, das hier jemals jemand gesehen hat.«
    Daggett verzweifelte. »Der Marittima-Frascati ist ein Spielzeug für Maharadschas und texanische Ölbarone. Sechstausendfünfhundert Dollar, Junge! Was bleibt dann von deinen
Ersparnissen übrig?«
    »Genug für Versicherung und ein paar Tankfüllungen.« Kiah stand auf. »Wenn Sie das Geschäft mit mir nicht machen wollen ...«
    »Du mußt krank sein«, sagte Daggett.
    »Sie würden das verstehen, wenn Sie hier aufgewachsen wären, Mr. Daggett, und Ihre Eltern so pleite gewesen wären wie meine.«
    »Quatsch! Sag mir nicht, wie es ist, pleite zu sein, bevor du in der Großstadt pleite warst. Was bezweckst du überhaupt mit dem Auto?«
    »Ich bezwecke, mich mit dem Auto zu amüsieren, daß es kracht. Wird auch allmählich Zeit. Ich werde zur Abwechslung mal ein bißchen leben. Anfang nächster Woche,
Mr. Daggett?«
    Die Nachmittagsstille des Dorfes wurde vom Brummen eines Anlassers und vom wohlerzogenen Grollen eines herrlichen Motors zerstört.
    Kiah saß tief in den zitronengelben Lederpolstern des taubenblauen Marittima-Frascati und lauschte dem süßen Donner, der auf jeden sanften Druck seines großen Zehs
erfolgte. Er hatte sich mit der Wurzelbürste geschrubbt, und sein Haar war frisch geschnitten.
    »Auf den ersten tausend Meilen nichts Schnelles, verstanden?« sagte Daggett. Er war in Festtagslaune, hatte sich mit stiller Resignation in das bizarre Wunder geschickt, welches Kiah
gewirkt hatte. »Das ist ein Stück edelstes Geschmeide unter der Haube, das will richtig behandelt sein. Bleib auf den ersten tausend Meilen unter sechzig, auf den ersten dreitausend
unter achtzig.« Er lachte. »Und versuch nicht herauszufinden, was sie wirklich kann, bevor du ihr die fünftausend besorgt hast.« Er schlug Kiah auf die Schulter. »Werd
nicht ungeduldig, Junge. Mach dir keine Sorgen –, sie kann’s!«
    Kiah zündete wieder den Motor, schien die Menschenmenge, die sich ringsum versammelt hatte, gar nicht zu bemerken.
    »Was meinen Sie, wie viele davon gibt es in den USA ?« fragte Kiah Daggett.
    »Zehn, zwölf.« Daggett zwinkerte. »Mach dir keine Sorgen. Alle anderen sind in Dallas und Hollywood.«
    Kiah nickte umsichtig. Er wollte wie ein Mann aussehen, der einen vernünftigen Einkauf getätigt hat, den er nun, zufrieden über den Wert seines Geldes, nach Hause tragen will. Der
Moment war für ihn wunderschön und komisch, aber er lächelte nicht.
    Er schaltete zum erstenmal in den ersten Gang. Es war so leicht. »Entschuldigung«, sagte er zu denen, die im Weg standen. Er ließ den Motor aufbrausen, anstatt die
Blechbläser seiner Hupen aufspielen zu lassen. »Danke.«
    Als Kiah das Auto auf die sechsspurige Autobahn fuhr, fühlte er sich nicht mehr wie ein Eindringling im Universum. Er gehörte so sehr dazu wie die Wolken und das
Meer. Mit der gespielten Bescheidenheit eines Gottes, der inkognito reist, gestattete er einem Cadillac-Cabrio, ihn zu überholen. Ein hübsches Mädchen am Steuer lächelte auf ihn
herab.
    Kiah betupfte leicht das Gaspedal und schoß an ihr vorüber. Er lachte den kleinen Fleck an, zu dem sie in seinem Rückspiegel wurde. Der Temperaturanzeiger kletterte, Kiah
drosselte den Marittima-Frascati und vergab sich diesen einen Überschwang. Nur dieses eine Mal –, es war es wert gewesen. Dies war das Leben!
    Das Mädchen und der Cadillac überholten ihn wieder. Sie lächelte und

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