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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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Chevys: »Malibu.«
    »Ich glaube, die Arbeit bei Daggett hat dich zum Autonarren gemacht.« Daggett war der Autohändler gegenüber. Dort verkaufte er ausländische Sportwagen, und in New York
City hatte er einen weiteren Ausstellungsraum. »Wie viele Jobs hast du jetzt, außer dem bei Daggett?«
    »Am Wochenende bediene ich im Quarterdeck, und nachts arbeite ich bei Ed an der Tanke.« Kiah war Vollwaise und wohnte in einer Pension. Sein Vater hatte für einen
Landschaftsarchitekten gearbeitet, seine Mutter war Zimmermädchen in dem Howard Johnson’s bei der Autobahnauffahrt gewesen. Sie kamen bei einem Frontalzusammenstoß vor dem Howard
Johnson’s um, als Kiah sechzehn war. Die Polizei hatte gesagt, es wäre ihre Schuld gewesen. Seine Eltern hatten kein Geld, ihr gebrauchter Plymouth Fury hatte Totalschaden, und sie
konnten ihm nicht einmal ein Auto hinterlassen.
    »Ich mache mir Sorgen um dich, Kiah«, sagte der Drogist. »Ständig nur arbeiten. Hast du immer noch nicht genug gespart, um dir ein Auto zu kaufen?« Es war im Dorf
allgemein bekannt, daß Kiah so lange durcharbeitete, um sich ein Auto kaufen zu können. Er hatte keine Freundin.
    »Schon mal von einem Marittima-Frascati gehört?«
    »Nein. Und ich glaube auch nicht, daß sonst jemand schon mal von einem gehört hat.«
    Kiah sah den Drogisten mitleidig an. »Hat zweimal hin-tereinander das Straßenrennen von Avignon gewonnen –, vor Jaguar, Mercedes und allen anderen. Bei freier Bahn macht
er garantierte hundertdreißig Stundenmeilchen. Das schönste Auto der Welt. Daggett hat einen in seiner New Yorker Filiale.« Kiah stellte sich auf die Zehenspitzen. »Niemand
hat hier in der Gegend jemals so etwas gesehen. Niemand.«
    »Warum sprichst du eigentlich nie über Fords oder Chevrolets oder was, wovon ich schon mal was gehört habe? Marittima-Frascati!«
    »Keine Klasse. Deshalb spreche ich nicht über sie.«
    »Klasse! Da spricht der Fachmann. Fußböden wischen, Autos wienern, Leute bedienen, Benzin zapfen, aber Klasse muß schon sein, drunter tut er’s nicht.«
    »Träum du deine Träume, ich träume meine«, sagte Kiah.
    »Ich träume davon, so jung wie du in einem Dorf zu sein, das so hübsch und angenehm ist wie unseres«, sagte der Drogist. »Du kannst dir deine Klasse in
den ...«
    Daggett, ein beleibter New Yorker, der diese Filiale nur im Sommer betrieb, verkaufte einem städtischen Tweedstoffeträger ein Auto, als Kiah hereinkam.
    »Ich bin wieder da, Mr. Daggett«, sagte Kiah.
    Daggett schenkte ihm keinerlei Beachtung. Kiah setzte sich auf einen Stuhl, um zu warten und tagzuträumen. Sein Herz pochte heftig.
    »Er ist nicht für mich, verstehen Sie«, sagte der Kunde gerade und sah verwundert auf den niedrigen, kastenförmigen MG hinunter. »Er ist für meinen Jungen. Er
hat so ein Ding erwähnt.«
    »Das richtige Auto für einen jungen Mann«, sagte Daggett. »Und für einen Sportwagen auch vom Preis her sehr vernünftig.«
    »Im Augenblick schwärmt er von irgendeinem anderen Auto, einem Maranochwas.«
    »Marittima-Frascati«, sagte Kiah.
    Daggett und der Kunde schienen überrascht, ihn im selben Raum anzutreffen.
    »Mmmm, ja, so heißt er«, sagte der Kunde.
    »In der Stadt habe ich einen. Ich könnte ihn Anfang nächster Woche herbringen«, sagte Daggett.
    »Wieviel?«
    »Sechstausendfünfhunderteinundfünfzig Dollar«, sagte Kiah.
    Daggett lachte platt und unfreundlich. »Du hast ein gutes Gedächtnis, Kiah.«
    »Sechstausendfünfhundert!« sagte der Kunde. »Ich liebe meinen Jungen, aber auch der Liebe sind Grenzen gesetzt. Ich nehme diesen.« Er zog ein Scheckbuch hervor.
    Kiahs langer Schatten fiel über die Quittung, die Daggett ausstellte.
    »Kiah, bitte. Du stehst mir im Licht.« Kiah regte sich nicht. »Kiah, was willst du denn? Warum fegst du nicht den hinteren Raum oder was?«
    »Ich wollte nur sagen«, sagte Kiah, und sein Atem ging flach, »daß ich, wenn dieser Herr fertig ist, gern den Marittima-Frascati bestellen würde.«
    »Du was?« Daggett stand ärgerlich auf.
    Kiah zog nunmehr selbst sein Scheckbuch hervor.
    »Hau ab!« sagte Daggett.
    Der Kunde lachte.
    »Wollen Sie das Geschäft mit mir nicht abschließen?« fragte Kiah.
    »Ich werde gleich ganz was anderes mit dir abschließen, Kleiner, und zwar nicht zu knapp. Jetzt setz dich hin und warte.«
    Kiah setzte sich, bis der Kunde ging.
    Dann ging Daggett langsam auf Kiah zu, die Fäuste geballt. »So, junger Mann, dein komisches Geschäft hat mich fast

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