Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)
Otto, der auf der Couch lag, sah ihr durch verengte Lider zu und blies Rauchringe.
»Modenschau?« sagte ich.
»Wir haben gedacht, es macht vielleicht Spaß, wenn ich mal alles anprobiere, was Otto mir gekauft hat und wozu ich noch nicht gekommen bin«, sagte Falloleen. Trotz ihrem dicken
Make-up sah ihr Gesicht inzwischen verhärmt aus. »Gefällt es Ihnen?« sagte sie.
»Sehr sogar«, sagte ich und scheuchte Otto aus seiner Lethargie, damit er meine Fragen beantwortete.
»Soll ich nicht mit runterkommen und mit Ihnen arbeiten?« fragte er.
»Danke«, sagte ich, »aber es wäre mir lieber, wenn Sie es ließen. Die vollkommene Stille ist genau das, was ich brauche.«
Otto war enttäuscht. »Also, bitte zögern Sie nicht, mich zu rufen, egal, weshalb.«
Eine Stunde später kamen Falloleen und Otto mit Tassen und einer Kanne Kaffee herunter ins Studio. Sie lächelten, aber ihre Augen waren glasig vor Langeweile.
Falloleen hatte eine trägerlose Abendrobe aus blauem Veloursamt an, mit Hermelin um den Saum und unter ihren weißen Schultern. Sie ging latschig und schlurfte. Otto gönnte ihr
kaum einen Blick.
»Aaaah!« sagte ich. »Kaffee! Genau das Richtige! Stilvolle Vorführung beendet?«
»Mir sind die Kleider ausgegangen«, sagte Falloleen. Sie schenkte den Kaffee ein, schlenkerte sich die Schuhe von den Füßen und legte sich auf das eine Ende der Couch.
Otto legte sich auf das andere und grunzte. Der Friede der Szenerie war trügerisch. Weder Otto noch Falloleen waren entspannt. Falloleen ballte die Hände zu Fäusten, entballte die
Fäuste zu Händen und so weiter. Alle paar Sekunden ließ Otto die Zähne klacken wie Kastagnetten.
»Sie sehen wirklich wunderschön aus, Falloleen«, sagte ich. »Sind das zufällig mondscheinbetriebene Kosmetika auf Ihrem Gesicht?«
»Ja«, sagte Falloleen. »Otto hatte ein paar Proben fertig, und ich bin ein wandelndes Labor. Faszinierende Arbeit.«
»Sie befinden sich zwar gerade gar nicht im Mondschein«, sagte ich, »aber ich würde sagen, das Experiment war ein umwerfender Erfolg.«
Otto setzte sich auf, vom Lob seiner Arbeit erfrischt. »Meinen Sie wirklich? Während unseres Honeymoons hatten wir fast immer Mondschein, und die Idee hat sich mir praktisch
aufgedrängt.«
Falloleen setzte sich ebenfalls auf, sentimental am Thema Flitterwochen interessiert. »Ich habe es geliebt, jeden Abend ganz schick auszugehen«, sagte sie, »aber der Abend, der
mir am besten gefallen hat, war der Abend, an dem wir Kanu gefahren sind, nur wir zwei, und der See und der Mond.«
»Ich habe die ganze Zeit ihre Lippen im Mondschein angesehen«, sagte Otto, »und ...«
»Ich habe deine Augen angesehen«, sagte Falloleen.
Otto schnippte mit den Fingern. »Und dann hatte ich die Eingebung! Himmel noch mal, irgendwas haute bei Mondschein mit der normalen Kosmetik nicht hin. Es kamen die falschen Farben heraus,
Blaus und Grüns. Falloleen sah aus, als hätte sie gerade schwimmend den Ärmelkanal durchquert.«
Falloleen haute ihn, so doll sie konnte.
»Warum hast du das gemacht?« brüllte Otto, das Gesicht purpurrot von dem Schlag. »Glaubst du, ich habe kein Schmerzempfinden?«
»Und ich etwa nicht?« schäumte Falloleen. »Du glaubst, ich wäre aus geriffeltem Sperrholz mit Plastik?«
Otto schluckte.
»Ich habe es satt, Falloleen und die nie endende Modenschau zu sein!« Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern: »Sie ist langweilig und seicht, verängstigt und verloren,
unglücklich und ungeliebt.«
Sie zog mir mit einem Ruck das Taschentuch aus der Brusttasche, wischte sich dramatisch übers Gesicht und hinterließ ein Geschmier aus Rot, Rosa, Weiß, Blau und Schwarz.
»Du hast sie verbrochen, du hast sie verdient, und hier ist sie!« Sie drückte Otto das befleckte Taschentuch in die schlaffe Hand. Und ab die Rampe hinauf. »Lebe
wohl!«
»Falloleen!« schrie Otto.
Sie blieb in der Tür stehen. »Ich heiße Kitty Krummbein-Cahoun«, sagte sie. »Falloleen hast du in der Hand.«
Otto winkte ihr mit dem Taschentuch zu. »Sie gehört dir so sehr wie mir«, sagte er. »Du wolltest Falloleen sein. Du hast alles getan, was du konntest, um Falloleen zu
sein.«
»Weil ich dich liebte«, sagte Kitty. Sie weinte. »Sie war ganz dein Entwurf, ganz für dich.«
Otto drehte die Handflächen nach oben. »Krummbein ist nicht unfehlbar«, sagte er. »Es kam zu weitverbreitetem Blutvergießen, als die amerikanische Hausfrau den
Krummbein-Vortex-Dosenöffner an ihren Busen
Weitere Kostenlose Bücher