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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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drückte. Ich dachte, Falloleen zu sein, würde dich glücklich machen, und statt dessen hat es dich unglücklich gemacht. Es tut
mir leid. Egal, was daraus geworden ist, es war ein Werk der Liebe.«
    »Du liebst Falloleen«, sagte Kitty.
    »Ich liebe, wie sie aussah«, sagte Otto. Er zögerte. »Bist du wirklich wieder Kitty?«
    »Würde Falloleen sich mit so einem Gesicht zeigen?«
    »Niemals«, sagte Otto. »Dann kann ich dir, Kitty, sagen, daß Falloleen stinklangweilig war, wenn sie sich nicht theatralisch in Pose warf oder einen dramatischen Auftritt
oder Abgang hatte. Ich hatte eine panische Angst davor, mit ihr allein gelassen zu werden.«
    »Falloleen wußte nicht, wer sie war oder was sie war«, schluchzte Kitty. »Du hast ihr überhaupt kein Innenleben verpaßt.«
    Otto ging zu ihr hinauf und legte den Arm um sie. »Liebste«, sagte er, »innen sollte Kitty Cahoun leben, aber sie ist komplett verschwunden.«
    »An Kitty Cahoun hast du gar nichts gemocht«, sagte Kitty.
    »Meine liebe, süße Frau«, sagte Otto, »es gibt auf Erden nur vier Dinge, die nicht danach schreien, neu entworfen zu werden, und eins davon ist die Seele von Kitty
Cahoun. Ich dachte, sie wäre für immer dahin.«
    Sie umarmte ihn versuchsweise. »Und die anderen drei?« sagte sie.
    »Das Ei«, sagte Otto, »der Ford Modell T und das Äußere von Falloleen. Mach dich doch ein bißchen frisch«, sagte er dann, »schlüpf in dein
lavendelfarbenes Negligé, und steck dir eine weiße Rose hinters Ohr, während ich hier mit der Geißel der Wall Street die Dinge in Ordnung bringe, was meinst du?«
    »Oha«, sagte sie, »ich komme mir schon wieder vor wie Falloleen.«
    »Hab keine Angst davor«, sagte Otto. »Paß nur auf, daß Kitty in all ihrer Herrlichkeit durchschimmert.«
    Sie verließ uns, überaus froh.
    »Ich werde sofort verschwinden«, sagte ich. »Jetzt weiß ich, daß Sie mit ihr alleinsein wollen.«
    »Offen gestanden, ja«, sagte Otto.
    »Ich werde morgen auf Ihren Namen ein Girokonto eröffnen und einen Banksafe mieten«, sagte ich.
    Und Otto sagte: »Klingt, als wären Sie in Ihrem Element. Amüsieren Sie sich gut, amüsieren Sie sich gut.«

DER TAUBENBLAUE DRACHE
    E in dünner junger Mann mit großen rußigen Händen überquerte den sonnengeweichten Asphalt der Hauptstraße der
kleinen Stadt am Meer und ging von der Autohandlung, in der er arbeitete, zum Postamt. Das Dorf war einst ein Walfanghafen gewesen. Jetzt dienten die Eingeborenen den Leuten, die die
Herrenhäuser mit Meerblick besaßen oder mieteten.
    Für seinen Boß gab der junge Mann ein paar Briefe auf und kaufte Briefmarken. Dann ging er in eigenen Geschäften zum Drugstore nebenan. Zwei Sommermenschen, ein Mann und eine
Frau in seinem Alter, kamen heraus, als er hineinging. Er bedachte sie mit einem verdrießlichen Blick, als zielten ihre Gesundheit, ihr Wohlstand und ihre träge Gelassenheit nur darauf
ab, ihn zu verspotten.
    Er bat den Drogisten, der ihn gut kannte, ihm seinen eigenen persönlichen Scheck in Höhe von fünf Dollar bar auszuzahlen. Er war auf sein Konto bei einer Bank in der Nachbarstadt
ausgestellt. Im Dorf gab es keine Bank. Er hieß Kiah.
    Kiah hatte sein Geld, und das war ziemlich viel, von einem Spar- auf ein Girokonto transferieren lassen. Der Scheck, den Kiah dem Drogisten überreichte, war der erste, den Kiah je
ausgestellt hatte. Er trug sogar die Nummer 1. Kiah brauchte die fünf Dollar gar nicht. Er wollte sichergehen, daß ein von ihm ausgestellter Scheck wirklich Geld war, wirklich
funktionierte.
    »Da oben steht mein Name«, sagte er.
    »Das sehe ich«, sagte der Drogist. »Du bist richtig vornehm geworden.«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Kiah, »er ist gedeckt.« Und wie er gedeckt war! Kiah dachte, vielleicht würde der Drogist in Ohmacht fallen, wenn er wüßte,
wie gedeckt der Scheck war.
    »Warum sollte ich mir wohl Sorgen um einen Scheck vom ehrlichsten, arbeitsamsten Jungen der Stadt machen?« Der Drogist berichtigte sich: »Ein Girokonto macht dich jetzt zum
großen Mann, genau wie J. P. Morgan.«
    »Was für ein Auto fährt er?« fragte Kiah.
    »Wer?«
    »J. P. Morgan.«
    »Er ist tot. Beurteilst du danach die Menschen, nach den Autos, die sie fahren?« Der Drogist war siebzig Jahre alt, sehr müde, und er suchte jemanden, der seinen Laden kaufte.
»Da mußt du eine sehr niedrige Meinung von mir haben, mit meinem Gebraucht-Chevy.« Er gab Kiah fünf Ein-Dollar-Scheine.
    Kiah nannte sofort das Modell des

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