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Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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Krone aufs Haupt gesetzt worden waren, hatte er für alle Zeit der Sorglosigkeit des Thronerben entsagt, um einer Welt die Stirn zu bieten, von der er noch nicht geahnt hatte, wie rauh sie werden würde. An den Wänden dieses Tempels verliehen lächelnde und ernste Götter dem Leben etwas Heiliges. Ein wiederauferstandener Pharao huldigte ihnen und wurde eins mit dem Verborgenen. Draußen, da waren die Menschen. Eine Menschheit mit ihrem Mut und ihrer Feigheit, ihrer Redlichkeit und Heuchelei, ihrer Großherzigkeit und Gier. Und er, Ramses, stand inmitten dieser einander entgegenwirkenden Kräfte, dazu berufen, das Band zwischen Menschen und Göttern zu erhalten, ungeachtet seiner eigenen Wünsche und Schwächen.
    Er regierte erst seit einem Jahr, doch schon seit langem gehörte er nicht mehr sich selbst.
    Als Ramses den Wagen bestieg, auf dem Serramanna die Zügel hielt, sank die Sonne gerade.
    «Wohin fahren wir, Majestät?»
    «Ins Tal der Könige.»
    «Ich habe die Schiffe der königlichen Flottille durchsuchen lassen.»
    «Kam etwas Verdächtiges zum Vorschein?»
    «Nein, nichts.»
    Der Sarde wirkte bedrückt.
    «Hast du mir wirklich nichts zu sagen, Serramanna?»
    «Wirklich nicht, Majestät.»
    «Bist du dir da ganz sicher?»
    «Jemanden anzuklagen, ohne Beweise zu haben, wäre ein schwerer Fehler.»
    «Hast du etwa den ruchlosen Magier ausfindig gemacht?»
    «Meine Meinung hat nichts zu bedeuten. Es zählen allein die Tatsachen.»
    «Galopp, Serramanna!»
    Die Pferde jagten ins Tal der Könige, dessen Eingang ständig von Soldaten bewacht wurde. Gegen Abend strahlte der Fels die im Laufe dieses Sommertages gespeicherte Hitze wieder ab, so daß einen das Gefühl beschlich, einen glühenden Backofen zu betreten.
    Schweißtriefend verneigte sich der für den Wachtrupp Zuständige vor dem Pharao und versicherte ihm, daß es keinem Dieb gelingen werde, in Sethos’ Grabstätte einzudringen.
    Doch Ramses schlug nicht den Weg zu seines Vaters Haus für die Ewigkeit ein, sondern den, der zu seinem eigenen führte. Da ihr Arbeitstag beendet war, reinigten die Steinhauer gerade ihre Werkzeuge und verstauten sie in Körben. Der unerwartete Besuch des Herrschers brachte ihre Gespräche zum Verstummen. Die Handwerker versammelten sich hinter dem Aufseher über die Baustätte, der soeben seinen Tagesbericht verfaßt hatte.
    «Wir haben den langen Gang bis zum Saal der Maat in den Fels getrieben. Darf ich ihn dir zeigen, Majestät?»
    «Laß mich allein.»
    Ramses überschritt die Schwelle seiner Grabstätte und stieg eine recht kurze Treppe hinunter, die den Einritt der Sonne ins Reich der Finsternis symbolisierte. In die Wände des sich daran anschließenden Ganges waren in senkrecht verlaufenden Schriftreihen Hieroglyphen eingemeißelt worden, Gebete, die ein auf ewig junger Pharao an die Macht des Lichts richtete, dessen geheime Namen er aufzählte. Dann folgten die Stunden der Nacht und die Prüfungen, die die Sonne in der Hoffnung auf ihre Wiedergeburt am Morgen in der Unterwelt bestehen mußte.
    Nachdem Ramses dieses Reich der Schatten durchschritten hatte, sah er sich in anbetender Haltung vor den Gottheiten, die im Jenseits ebenso gegenwärtig waren wie auf Erden. Auf bewundernswerte Weise gezeichnet, in lebhaften Farben ausgemalt, erschufen diese Bilder den König stets aufs neue.
    Zu seiner Rechten lag die von vier Säulen gestützte Kammer für den königlichen Wagen. Hier sollten Deichsel, Plattform, Räder und die übrigen Bestandteile des rituellen Wagens aufbewahrt werden, auf daß er im Jenseits wieder zusammengesetzt werde und dem Herrscher gestatte, sich fortzubewegen und die Feinde des Lichts zu unterwerfen.
    Danach wurde der Gang schmaler. Hier zierten ihn Darstellungen der Mundöffnung, die an der Mumie des Königs vollzogen wurde, um ihn zu neuem Leben zu erwecken.
    Dann kam nur noch Fels, in dem die Meißel der Steinhauer kaum ihre ersten Spuren hinterlassen hatten. Es würde Monate dauern, den Saal der Maat herauszubrechen und auszuschmücken und schließlich noch den Goldsaal, in dem dereinst der Sarkophag stehen sollte.
    Ramses sah seinen Tod vorher, einen stillen, geheimnisvollen Tod. Den Sprüchen für die Ewigkeit würde kein Wort fehlen und der Kunst nicht eine Szene. Der junge König malte sich den Eintritt seines irdischen Leibes ins Jenseits aus, in ein Reich, dessen Gesetze sich für immer menschlichem Verständnis entzogen.
    Als der Pharao seine Grabstätte verließ, hatte sich eine

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