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Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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zerrissen. Weitere Taue drohten zu brechen. Bald würde der riesige Block aus Rosengranit in den Fluß kippen.
    Bakhen ballte die Fäuste und brach in Tränen aus.
    Dieser Schiffbruch bedeutete eine erschreckende Niederlage, von der er sich nie mehr erholen würde. Zu Recht würde man ihn für den Verlust eines Obelisken und für den Tod mehrerer Männer verantwortlich machen. Hatte er nicht überstürzt den Befehl zum Ablegen des Lastkahns erteilt, ohne das Hochwasser abzuwarten? Ohne sich der Gefahren bewußt zu sein, denen er die Mannschaft aussetzte, hatte Bakhen sich über die Gesetze der Natur erhoben.
    Der Vierte Prophet des Amun hätte gerne sein Leben hingegeben, um dieses Unheil zu verhindern. Doch das Schiff schwankte zunehmend, und verhängnisvolles Knarren deutete darauf hm, daß sein Rumpf bald bersten würde. Der Obelisk war von vollendeter Pracht. Ihm fehlte nur noch die Vergoldung der Spitze, in der sich die Sonnenstrahlen gebrochen hätten. Und nun war er dazu verdammt, auf den Grund des Nils zu sinken.
    Am Ufer rang ein Mann die Arme, ein schnurrbärtiger Riese mit Helm und Waffen. Er schien gegen irgend etwas Einspruch zu erheben, doch der Wind verschluckte seine Worte.
    Da merkte Bakhen, daß er einen anderen Mann, der eilends auf das schlingernde Schiff zuschwamm, anflehte, er möge umkehren. Auf die Gefahr hin, zu ertrinken oder von einem der Ruder erschlagen zu werden, erreichte der Schwimmer den Bug des Lastkahns und kletterte an einem Seil die Bordwand hinauf.
    Der Mann ergriff das festgeklemmte Steuerruder, an dem zwei Hände vergebens zerrten. Mit unglaublicher Kraft stemmte er sich dagegen, bis die Muskeln seiner Arme und seiner Brust zu zerreißen drohten, und schaffte es, die Holzstange mit dem schweren Ruderblatt zu bewegen.
    Der Lastkahn hörte auf, sich um sich selbst zu drehen, und verharrte, parallel zum Ufer, einen Augenblick reglos in der Strömung. Einen günstigen Wind nutzend und mit der Hilfe der Ruderer, die neuen Mut geschöpft hatten, gelang es dem Steuermann, ihn aus dem Strudel zu lenken.
    Kaum hatte das Schiff angelegt, da machten sich Dutzende von Steinhauern und Handlangern daran, den Obelisken so schnell wie möglich an Land zu holen.
    Erst jetzt erkannte Bakhen den Mann, der die Gefahr bezwungen hatte: Ramses, der König von Ägypten, hatte sein Leben aufs Spiel gesetzt, um den Granitblock zu retten, der künftig gleich einer steinernen Nadel den Himmel durchbohren würde.
     

SECHSUNDVIERZIG
     
     
    CHENAR NAHM SECHS Mahlzeiten am Tag ein und wurde zusehends beleibter. Seit seine Hoffnung schwand, doch noch die Macht zu erringen und sich an seinem Bruder zu rächen, gab er sich diesem Heißhunger hin, der sein Gemüt besänftigte und ihn den Bau der neuen Hauptstadt sowie die unerträgliche Beliebtheit des Königs vergessen ließ. Selbst Acha vermochte ihn nicht mehr zu trösten. Gewiß, er brachte überzeugende Einwände vor: Die Macht würde sich abnutzen, die Begeisterung über die ersten Monate seiner Herrschaft verfliegen, und Schwierigkeiten aller Art würden sich Ramses in den Weg stellen… Doch es gab keine erkennbaren Anhaltspunkte, die diese schönen Reden verbürgt hätten. Vom Widerhall der Wunder, die der junge Herrscher vollbrachte, wirkten selbst die Hethiter wie gelähmt.
    Kurzum, die Lage verschlechterte sich zunehmend.
    Während Chenar eifrig eine gebratene Gänsekeule bearbeitete, meldete ihm sein Hausverwalter den Besuch von Meba, dessen Amt er nun einnahm und den er in dem Glauben gelassen hatte, Ramses sei allein für diese Ernennung verantwortlich.
    «Ich will ihn nicht sehen.»
    «Er beharrt aber darauf.»
    «Schick ihn fort.»
    «Meba behauptet, er habe eine für dich sehr wichtige Nachricht.»
    Sein Vorgänger war weder ein Prahler, noch verbreitete er Unwahrheiten. Er hatte seine Laufbahn auf Umsicht und Besonnenheit aufgebaut.
    «Dann laß ihn hereinkommen.»
    Meba hatte sich nicht verändert: breites, Ruhe ausstrahlendes Gesicht, würdevolles Auftreten, ausdruckslose Stimme; ein hoher Beamter, der Bequemlichkeit zu schätzen wußte, an seinen Gepflogenheiten festhielt und außerstande war, die wahren Gründe für seinen Sturz zu begreifen.
    «Danke, daß du mich empfängst, Chenar.»
    «Der Besuch eines alten Freundes ist mir eine Freude. Darf ich dir etwas zu essen oder zu trinken anbieten?»
    «Ein wenig Wasser wäre mir zuträglich.»
    «Hast du etwa Wem und Bier abgeschworen?»
    «Seit ich mein Amt verloren habe, leide ich unter

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