Der Tempel der vier Winde - 8
hätte. Ein hinter Felsen, Bäumen, Farnen und Ranken verborgener Pfad führte zu dem steilen Abgrund und den Stufen, die in der Felswand nach unten führten.
Samuel zeigte in die Ferne, hinunter ins Tal. »Die Herrin.« »Ich weiß. Mach schon.«
Kahlan folgte Samuel nach unten. Teils war es ein schmaler Pfad, der größte Teil des Weges hinunter bestand jedoch aus Tausenden von Stufen, die man in die zerklüftete Felswand geschlagen hatte. Sie wanden sich und führten in engen Serpentinen abwärts, manchmal spiralförmig unter den oberen hindurch.
Tief unten, weit entfernt in der Mitte des Tales, erhob sich inmitten zweier Flußläufe, erhabener Bäume und leicht welliger Felder Shotas eleganter Palast. Bunte Fähnchen flatterten oben auf den Türmen und Zinnen, als wollten sie ein Fest ankündigen. Kahlan konnte die fernen Wimpel im Wind knallen hören. Doch hatte sie kein Auge für diese Pracht.
Für sie war es der Mittelpunkt eines Spinnennetzes. Ein Ort, an dem Gefahr lauerte. Eine Gefahr für Richard.
Samuel sprang vor ihr die Stufen hinab, glücklich, in die Obhut seiner Herrin zurückzukehren, und spielte zweifellos mit dem Gedanken, Kahlan in einem Eintopf zu kochen, sobald seine Herrin mit ihr fertig wäre. Kahlan achtete kaum auf die haßerfüllten Blicke aus seinen großen gelben Augen. Auch sie hatte sich in eine Welt des Abscheus zurückgezogen.
Shota wollte Richard Unheil zufügen. Dieser Gedanke ging Kahlan beständig durch den Kopf. Das war der Schlüssel. Shota wollte Richards Glück verhindern. Shota wollte Richard leiden sehen.
Kahlan spürte, wie eine wütende Kraft in ihrem Innern brodelte, bereit zu tun, was immer sie verlangte, um die Gefahr für Richard zu beseitigen.
Endlich hatte Kahlan einen Weg gefunden, Shota zu besiegen. Gegen Subtraktive Magie besaß Shota keinen Schild. Sie würde jede Magie, mit der sie sich umgab, durchdringen.
Kahlan hatte den Weg in das Zentrum ihrer Kraft gefunden, den Zugang durch das Labyrinth aus Schutzvorrichtungen, das über ihrer Magie lag.
Diese Seite ihrer Magie war durch Regeln geschützt, die ihre Anwendung steuerten. Wie in der Burg der Zauberer, die von Schilden aller Art geschützt wurde, gab es einen Weg, der durch sie hindurchführte. Sie hatte den Weg durch die Burg gefunden, und mit Hilfe ihres gesunden Menschenverstandes hatte sie die Rechtfertigung gefunden, die sich einen Weg durch den Irrgarten aus Prinzipien bahnte, die den Einsatz dieser Magie untersagten.
Sie hatte deren uralte Kraft angezapft, ihre zerstörerische Kraft. Kahlan spürte, wie sie durch ihren Körper in die Arme strömte. Blaues Licht zuckte in knotigen Windungen um ihre geballten Fäuste. Fast hätte sie sich in einem Trancezustand der Entschlossenheit verloren. Zum ersten Mal hatte Kahlan vor der Hexe keine Angst. Wenn Shota nicht schwor, Richard in Frieden zu lassen, ihn sein eigenes Leben leben zu lassen, würde sie zu Staub zerfallen, noch bevor der Tag zu Ende war. Unten am Fuß der Felswand folgte Kahlan Samuel, der über die Straße sprang, die zwischen den mit vereinzelten Bäumen bestandenen Hügeln und grünen Feldern hindurchführte. Ringsum ragten schneebedeckte Gipfel durch die vereinzelten Wolken in die Höhe. Das Blau des Himmels wurde noch tiefer, als die Sonne über diesen Gipfeln aufging.
Kahlan war überzeugt, genügend lodernde Kraft in ihrem Innern zu haben, um diese Gipfel dem Erdboden gleichzumachen. Ein falsches Wort, eine falsche Bewegung von der Hexe – mit der sie sich als Bedrohung für Richard erwies –, und es wäre mit ihr vorbei.
Die Straße führte eine leichte Anhöhe hinauf, von wo aus Kahlan die Türme des Palastes durch die Bäume schimmern sah. Samuel warf einen Blick nach hinten, um zu prüfen, ob sie ihm noch immer folgte, Kahlan jedoch war auf seine Führung nicht angewiesen. Sie wußte, daß Shota in dem kleinen Wäldchen unten wartete.
Die Hexe war der allerletzte Mensch, den Kahlan je hatte wiedersehen wollen, doch wenn sich das schon nicht vermeiden ließ, dann sollte das Treffen diesmal wenigstens zu ihren Bedingungen ablaufen.
Samuel blieb stehen und deutete mit seinem langen Finger nach vorn.
Seine gelben Augen sahen sich wütend nach Kahlan um. »Die Herrin will dich.«
Kahlan drohte ihm. Fäden blauen Lichts umzuckten den erhobenen Finger knisternd.
»Wenn du mir in die Quere kommst oder dich einmischst, stirbst du.«
Sein Blick wanderte von ihrem Finger
Weitere Kostenlose Bücher