Der Tempel der vier Winde - 8
etwas dran. Wir befinden uns in etwa auf der Höhe des Grundes der Spalte. Wenn all das Gestein herausgebrochen ist, gibt es hier unter dem Wald keinen Schutthügel.«
Richard sah den Soldaten zu, die überall zwischen den Felsen und Bäumen nach einer Spur des Tempels der Winde suchten. Keiner von ihnen machte den Eindruck, als sei er wirklich etwas auf der Spur.
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß er sich hier unten befindet. Soweit ich sehe, deutet einfach nichts darauf hin, daß der Berg hier abgestürzt ist.«
Ulic und Egan verschränkten die Arme wieder. Soweit es sie betraf, war die Angelegenheit damit erledigt.
Unterkommandant Crawford räusperte sich. »Lord Rahl, wenn die Hälfte des Bergs Kymermosst, wie es ihn früher gab, nicht hier unten liegt, wo befindet er sich dann?«
Richard und der Soldat sahen sich lange an. »Das wüßte ich auch zu gerne. Wenn er nicht dort unten liegt, dann muß er woanders sein.«
Der blonde Unterkommandant trat von einem Fuß auf den anderen. »Also, er ist bestimmt nicht einfach aufgestanden und hat sich aus dem Staub gemacht, Lord Rahl.«
Richard drehte seine Schwertscheide aus dem Weg und ging daran, von den Felsen herunterzuklettern. Er hatte bemerkt, daß er dem Mann angst machte. Richards Bemerkung schien auf Magie anzuspielen.
»Es muß so sein, wie Ihr sagt, Unterkommandant. Er ist sicher abgerutscht und dann überwuchert worden. Vielleicht war der Einschnitt zwischen den Bergen damals tiefer, und der Erdrutsch hat ihn einfach aufgefüllt, statt einen Hügel zu bilden.«
Dieser Gedanke leuchtete dem Unterkommandanten ein. Sie lieferte ihm eine Erklärung, die greifbar war wie Granit.
Richard glaubte nicht daran. Die Felswand erschien ihm eigenartig. Sie war sehr glatt, so als wäre sie mit einem gewaltigen Schwert abgespalten worden. Sicher, es gab schroffe Stellen, doch damit ließe sich das Geröll erklären, das am Fuß des Berges lag. Ihm schien es so, als sei der Berg abgeschnitten und weggetragen worden, und Wasser und Eis hätten die glatte Oberfläche der Felswand bearbeitet, Stücke herausgebrochen und sie zunehmend zerklüftet. Trotzdem war sie bei weitem nicht so zerklüftet wie die anderen Felswände ringsum.
»Das wäre eine Erklärung, Lord Rahl«, meinte der Unterkommandant. »Wenn das stimmt, dann bedeutet das allerdings, daß der Tempel, den Ihr sucht, tief darunter verschüttet liegt.«
Richard begab sich, dicht gefolgt von seinen beiden riesenhaften Bewachern, zu den Pferden. »Ich möchte mich oben auf dem Gipfel umsehen. Ich will mir die Ruinen dort oben anschauen.«
Ihr Führer, ein Mann mittleren Alters mit Namen Andy Millett, wartete bei den Pferden. Er war mit einem einfachen Wollgewand in Grün und Braun bekleidet, ganz wie Richard es früher getragen hatte. Sein verfilztes braunes Haar hing ihm bis über die Ohren. Andy war ungeheuer stolz, daß Lord Rahl ihn gebeten hatte, sie zum Berg Kymermosst zu führen. Richard kam sich deswegen ein wenig dumm vor. Andy war ganz einfach der erste, auf den Richard gestoßen war, der wußte, wo er lag.
»Ich möchte hinauf zu den Ruinen auf dem Gipfel.«
Andy reichte Richard die Zügel des großen Rotschimmels. »Natürlich, Lord Rahl. Viel gibt’s dort oben nicht zu bewundern, aber ich zeige es Euch trotzdem gerne.«
So groß seine beiden Bewacher waren, sie saßen mühelos auf. Ihre Pferde bewegten sich kaum unter dem plötzlichen Gewicht. Richard schwang sich in den Sattel hinauf und zwängte seinen rechten Stiefel in den Steigbügel.
»Können wir vor Einbruch der Dunkelheit dort sein? Der Schnee des Frühlingssturms ist weitgehend geschmolzen. Der Pfad müßte passierbar sein.«
Andy warf einen Blick zur Sonne, die soeben im Begriff stand, einen Berg zu streifen. »So wie Ihr reitet, Lord Rahl, würde ich sagen, ein ganzes Stück eher. Normalerweise halten wichtige Leute mich auf. In diesem Fall bin ich es wahrscheinlich, der Euch aufhält.«
Richard schmunzelte. Er erinnerte sich, dieselbe Erfahrung gemacht zu haben. Je bedeutender die Leute waren, denen er als Führer diente, desto langsamer schienen sie sich zu bewegen.
Als sie bei den Ruinen eintrafen, war der Himmel von roten und goldenen Streifen durchzogen. Die umliegenden Berge lagen in tiefem Schatten. Die Ruinen schienen im honiggoldenen Licht zu erglühen.
Es gab einige elegante, mittlerweile zerfallende Gebäude, die einmal Teil eines größeren Palastes gewesen zu sein schienen, genau wie Kahlan gesagt hatte. Da
Weitere Kostenlose Bücher