Der Tempel der vier Winde - 8
bemerkenswert kurzer Zeit zurückgelegt.
Kahlan rührte keinen Muskel, als das Messer im trüben Licht der Lampe aufblitzte. Sie hielt den Atem an.
Ein kräftiger Arm stach haßerfüllt auf ihr Bett ein. Der Arm hob und senkte sich, stach in rascher Folge zu.
Richard stieß die Balkontür mit dem Finger an. Sie schwenkte an den Angeln geräuschlos nach innen. Auf Richards Handzeichen schlüpfte Berdine augenblicklich quer durchs Zimmer. Als sie an der richtigen Stelle war, tippte er einmal gegen das Glas. Berdine drehte den Docht der Lampe hoch.
Tristan Bashkar richtete sich neben Kahlans Bett auf, das Messer in der Hand, keuchend von der Anstrengung seiner soeben begangenen Tat.
»Laßt das Messer fallen, Botschafter«, forderte Richard ihn mit ruhiger Stimme auf.
Tristan ließ das Messer durch die Finger wirbeln und faßte es an der Klinge, um es werfen zu können.
Berdines Strafer traf ihn hinten am Hals und ließ ihn auf der Stelle zusammenbrechen. Sie bohrte ihm den Strafer in die Schulter, um sich abzustützen, während sie sich bückte, um das Messer aufzuheben. Tristan heulte vor Schmerz auf.
Berdine erhob sich und brachte drei Messer ans Licht.
»Du hattest recht, Richard«, sagte Drefan von hinten.
»Das glaube ich einfach nicht«, staunte Nadine und trat in den Schein der Lampe.
»Das solltet Ihr aber«, meinte General Kerson, der ebenfalls vom Balkon aus ins Zimmer kam. »Ich würde sagen, Tristan Bashkar hat seine Immunität als Diplomat eigenhändig aufgehoben.«
Richard legte zwei Finger an die Lippen und pfiff. Raina stürzte an der Spitze eines großen Kontingents schwerbewaffneter d’Haranischer Soldaten ins Zimmer. Zwei von ihnen entzündeten zusätzliche Lampen.
Richard hakte seine Daumen in seinen Gürtel, trat neben Kahlan und sah zu, wie die Soldaten den Mann auf die Beine hievten.
»Du hattest recht«, sagte sie. »Er hat Nadine überfallen, um die Wachen von mir abzuziehen. Die ganze Zeit hatte er es auf mich abgesehen.«
Eine Weile hatte sie geglaubt, er hätte den Verstand, verloren. Sein Auftritt hatte alle überzeugt, sogar Tristan.
»Danke, daß du mir vertraut hast«, sagte Richard leise.
Als er ihr anfangs seinen Plan erklärte, war Kahlan der Ansicht gewesen, er beschuldigte Tristan wegen des früheren Vorfalls. Sie hatte es nicht deutlich zum Ausdruck gebracht, sich aber gefragt, ob Richard nicht bloß aus Eifersucht handelte.
Jetzt hatte er schon zum zweiten Mal Eifersucht gezeigt, seit sie ihm von Shotas Worten berichtet hatte – etwas, das sie eigentlich gar nicht von ihm kannte. Er hatte keinen Grund, eifersüchtig zu sein, doch Shotas Worte hatten ihre Wirkung auf seinen Verstand nicht verfehlt und seinen Zweifel geweckt. Jedesmal, wenn sie Nadine ansah, verstand Kahlan, wie er sich fühlte. Jedesmal, wenn sie Nadine auch nur in seiner Nähe stehen sah, spürte Kahlan, wie die Eifersucht mit heißen Krallen ihr Innerstes zerriß.
Shota und die Ahnenseele hatten ihr die Wahrheit gesagt. Sie war sich darüber im klaren, daß sie Richard nicht bekommen würde. Verstandesmäßig versuchte sie, dies in rationale Gedanken zu fassen, sich einzureden, es werde sich schon eine Lösung finden, daß sie zusammen sein würden, in ihrem Herzen wußte sie es dennoch besser. Richard würde Nadine heiraten. Und Kahlan einen anderen Mann.
Richard sträubte sich, das zu glauben. Wenigstens behauptete er das. Sie hatte ihre Zweifel.
Vor ihrem inneren Auge sah sie Clive Anderson, der tot auf seinem Stuhl saß, seine tote Frau in den Armen. Was war eine unglückliche Ehe verglichen mit der Tragödie, die über die Familie Anderson und so viele andere gekommen war? War es das nicht wert, diesen Preis zu zahlen, wenn dadurch diesem entsetzlichen Leiden und Sterben ein Ende gesetzt würde?
Nadine stahl sich an Richards andere Seite. »Ich wäre jetzt tot, ob du nun die Wachen von Kahlan abgezogen hättest oder nicht. Danke, Richard. Wie du den Pfeil direkt vor meinem Gesicht abgefangen hast, so etwas habe ich noch nicht erlebt.«
Richard zog sie kurz an ihrem Arm zu sich heran. »Du hast dich oft genug bedankt, Nadine. Für mich hättest du dasselbe getan.«
Wieder spürte Kahlan die heißen Krallen der Eifersucht. Sie unterdrückte das Gefühl. Es war, wie Shota gesagt hatte: Wenn sie ihn liebte, sollte ihm wenigstens der kleine Trost bleiben – daß es jemand war. den er kannte.
»Und wenn er mich getötet hätte? Ich meine, wenn er nichts weiter gewollt hat, als daß die
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