Der Tempel der vier Winde - 8
besser fühlt«, fügte Nadine hinzu.
»Erlaubnis erteilt«, sagte Cara mit dieser eiskalten Stimme.
Berdine wirkte entsetzt, als Richard ihr alles erzählte. Sie schlang die Arme um ihn und weinte aus doppeltem Kummer. Die Sliph sah von ihrem Brunnen aus zu und runzelte neugierig die Stirn.
Nadine mischte etwas aus ihren Säckchen in ihrem großen Beutel zusammen, gab Berdine Anweisungen, wann sie es nehmen sollte, und versprach, es werde ihr helfen, ihren Kummer zu überstehen. Richard versuchte, Berdine die Sachen zu erklären, die sie möglicherweise noch wissen mußte.
Kahlan konnte es fast als Kribbeln auf der Haut spüren, wie die Zeit vorbeiflog, während sie immer tiefer und tiefer hinab in den finsteren Abgrund stürzte.
»Wir müssen aufbrechen«, sagte Cara und unterband damit alle Hinhaltetaktik. »Wir werden scharf reiten müssen, wenn wir vor Mondaufgang ankommen wollen.«
»Wie finden wir den Tempel der Winde?« wollte Richard wissen. »Man findet den Tempel der Winde nicht«, erwiderte Cara. »Der Tempel der Winde findet dich, vorausgesetzt, die Anforderungen sind erfüllt.«
Nadine zeigte Richard ihren Beutel. »Kann ich das dann hierlassen? Er ist schwer, außerdem kommen wir doch ohnehin hierher zurück.«
»Natürlich«, antwortete Richard, dessen Stimme eine monotone Folge von Lauten bar jeden Lebens war.
Man zwang Kahlan, auf dem Weg zurück zu den Pferden hinter Richard und neben Drefan zu gehen. Nadine legte Richard die Hand auf den Rücken. Anständigerweise war sie bemüht, sich mit der Freude über ihren Triumph zurückzuhalten, trotzdem war die Berührung als unmißverständliche Erklärung gedacht: Er gehört jetzt mir.
Am Fuß der Straße hinauf zur Burg hörte Kahlan, während sie die Stadt verließen, wie die Soldaten an den Leichenkarren riefen, die Leute sollten ihre Toten auf die Straße schaffen. Bald würde das ein Ende haben, genau wie das Leiden und das Sterben durch die Pest. Das allein spendete ihr ein wenig Trost. Die Kinder und ihre Eltern würden leben.
Wenn dies nur für Raina rechtzeitig gekommen wäre. Berdine hatte es nicht offen ausgesprochen, aber Kahlan wußte, der Gedanke tobte in ihrem Kopf.
Richard hatte allen ihren Bewachern befohlen zurückzubleiben. Ulic und Egan hatten den Ausdruck in seinem Gesicht gesehen und nicht widersprochen. Nur Richard und Nadine, Kahlan und Drefan, Cara, der Legat und seine sechs Frauen brachen auf und ritten hinauf zum Berg Kymermosst.
Kahlan hatte keine Ahnung, wie das alles funktionieren sollte, wie man in den Tempel der Winde gelangen sollte, und Richard erging es ebenso. Sie war auch nicht im geringsten neugierig. Sie konnte an nichts anderes denken als daran, daß Richard Nadine heiraten würde. Bestimmt dachte Richard an nichts anderes als an ihre Hochzeit mit Drefan.
Während des Ritts gab Drefan Geschichten zum besten und versuchte, alle zu unterhalten und aufzumuntern. Kahlan bekam von alledem nicht viel mit. Sie beobachtete Richards Rücken. Sie hatte nur einen einzigen Wunsch: Sie wollte hinschauen, wenn er sich nach ihr umdrehte, wie er es von Zeit zu Zeit tat.
Sie konnte es nicht ertragen, ihn nicht anzusehen, doch wenn ihre Blicke sich kreuzten, war ihr, als brenne sich ein heißes Messer in ihr Herz.
Die bergige Landschaft, in die sie hineinritten, das grünende Gras, die sich öffnenden Farne, die knospenden Bäume, all das bereitete ihr keine Freude. Es war ein warmer Tag, verglichen mit dem Frühlingswetter, das sie bislang gehabt hatten, auch wenn am Himmel bedrohlich dunkle Wolken aufzogen. Vermutlich würden sie noch vor dem Abend ein Unwetter erleben. Die Andolier zuckten jedesmal erschrocken zusammen, wenn sie in den Himmel blickten.
Kahlan zog ihren Umhang enger zusammen. Sie dachte an das blaue Kleid, das sie bei der Hochzeit mit Richard hatte tragen wollen.
Sie merkte, daß sie wütend auf ihn wurde. Er hatte sie zu dem Glauben verführt, sie könnte Liebe und Glück erfahren. Er hatte sie dazu verführt zu vergessen, daß sie nur die Pflicht kannte. Hatte sie dazu verführt, ihn zu lieben.
Als sie sich dieses Zorns bewußt wurde, kamen ihr erneut die Tränen, die ihr lautlos übers Gesicht rannen. Dies betraf nicht nur sie, es betraf ebenso ihn. Diesen Schmerz erlitten sie gemeinsam.
Sie dachte daran, wie sie ihn kennengelernt hatte. Es schien so lange her, daß sie vor Darken Rahls gedungenen Mördern geflohen war und Richard ihr geholfen hatte. Sie dachte an all die Abenteuer, die sie
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