Der Tempel der vier Winde - 8
lieb von dir. Dann also gute Reise.«
57. Kapitel
Obwohl sich dunkle, brütende Wolken zusammenbrauten, lag noch immer eine unheimliche Stille über dem Gipfel von Berg Kymermosst. Die Andolier blickten beunruhigt in den Himmel. Als Kahlan Richard beim Absteigen zusah, hing sein goldenes Cape schlaff in der unnatürlich stillen Luft. Drefan bot ihr seine Hand an, um ihr herunterzuhelfen. Kahlan tat, als bemerke sie sie nicht.
Im schwindenden Licht waren die Ruinen nur gespenstisch anmutende Umrisse, das Gerippe eines längst ausgestorbenen Ungeheuers, das nur darauf wartete, wieder zum Leben zu erwachen und sie zu verschlingen. Dies war die Nacht des Vollmondes, doch würden bleigraue Wolken ihn völlig verdunkeln. Wenig später, sobald das letzte Tageslicht verschwunden wäre, würde auf diesem gottverlassenen Gipfel totenschwarze Nacht herrschen.
Nadine stand neben Richard, als dieser zum Rand des Abgrundes hinüberstarrte. Drefan hielt sich ganz in der Nähe, er wollte auf die Frau, die in Kürze seine Gattin werden würde, nicht allzu voreilig wirken, wollte sie aber auch nicht ignorieren. Wie Nadine schien auch er dies nicht als das Ende seines Glücks zu betrachten.
Nachdem man die Pferde festgebunden hatte, geleiteten der Legat und Cara die Bräute und Bräutigame in einen zerfallenen, kreisrunden Gartenpavillon, der aus gebogenen Steinbänken auf der einen Seite und abgebrochenen Säulen auf der anderen bestand. Der Aufsatz, der die Säulen überspannte, fehlte größtenteils und verband nur noch vier der zehn steinernen Säulen miteinander.
In der Ferne konnte Kahlan noch immer den messerscharfen Rand des Abgrunds und das schwarze Band der Berge dahinter erkennen. Irgendwo dort draußen befand sich der Tempel der Winde.
Sie wurde angewiesen, neben Drefan auf einer gebogenen Steinbank Platz zu nehmen, und Richard, zwei Bänke weiter, sagte man, er solle sich neben Nadine setzen. Kahlan schaute kurz hinüber und sah, daß Richard ihren Blick erwiderte. Doch dann beugte Drefan sich vor und versperrte ihr die Sicht auf Richard. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Legaten und Cara, die vor ihnen standen. Die sechs Schwestern hatten sich hinter ihrem Ehemann aufgestellt.
»Wir haben uns hier versammelt«, hoben der Legat und Cara wie aus einem Munde an, »um Richard Rahl und Nadine Brighton zu vermählen und um Kahlan Amnell und Drefan Rahl zu vermählen. Dies ist die allerhöchste feierliche Zeremonie, sie verknüpft die ernstesten Versprechen und verbindet die Ehegefährten für ein ganzes Leben. Diese Hochzeit wird von den Seelen selbst gebilligt und bezeugt.«
Kahlan starrte auf das Unkraut, das aus den Ritzen in dem auseinanderfallenden Gemäuer hervorsproß, und hörte den Worten über Ergebenheit, Treue und Pflicht nur mit halbem Ohr zu. Es war so warm und schwül, daß sie kaum Luft bekam. Das weiße Kleid der Mutter Konfessor klebte ihr am Rücken. Schweiß rann ihr zwischen den Brüsten herab.
Sie hob den Kopf, als Drefan begann, sie mit der Hand unter ihrem Arm hochzuziehen. »Was? Was ist?«
»Es ist soweit«, sagte er. »Komm.«
Und dann stand sie vor dem Legaten und Cara, neben sich Drefan und drei der Frauen des Legaten auf der anderen Seite als Trauzeugen. Sie schaute an Drefan vorbei und sah Richard neben Nadine stehen, wobei die anderen drei Andolierinnen als deren Trauzeugen auftraten. Nadine hatte ein Lächeln aufgesetzt.
»Wenn jemand etwas gegen die Vermählung dieser Menschen einzuwenden hat, dann soll er sich jetzt zu Wort melden, denn einmal vollzogen, kann der Bund der Ehe nicht wieder gelöst werden.«
»Ich habe etwas einzuwenden«, sagte Richard.
»Und das wäre?« fragte der Legat.
»Die Winde haben gesagt, dies müsse aus freiem Willen geschehen. Das ist nicht der Fall. Man zwingt uns dazu. Man erzählt uns, Menschen würden sterben, wenn wir uns weigern. Ich tue dies nicht aus freiem Willen. Ich tue dies ausschließlich aus dem einen Grund, weil ich Menschenleben retten will.«
»Willst du versuchen, das Leben der Menschen zu retten, die sterben würden, wenn man der Magie, die aus dem Tempel der Winde gestohlen wurde, nicht Einhalt gebietet?« fragte der Legat.
»Natürlich will ich das.«
»Diese Heirat ist Teil dieses Versuches. Stehst du es nicht bis zum Ende durch, werden sie sterben. Du willst sie retten. Soweit es die daran beteiligten Seelen betrifft, gilt das als dein freier Wille.
Solltest du deine Einwilligung zurückziehen, muß dies jetzt
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