Der Tempel der vier Winde - 8
es selbst erst seit ein paar Tagen.«
Der Vogelmann deutete unter das schattige Grasdach einer der wandlosen Pfahlbauten. »Der Mann dort drüben hat es uns erzählt.«
»Tatsächlich«, erwiderte Richard mit wachsender Skepsis, nachdem Kahlan für ihn übersetzt hatte. »Ich denke, es wird Zeit, daß wir uns den Kerl ansehen, der mehr über uns weiß als wir selbst.«
Beim Umdrehen bemerkte Kahlan zufällig, wie sich der Vogelmann die Wange kratzte, um ein Schmunzeln zu verbergen.
Sie hatten Mühe, sich den Weg durch das dichte Gedränge zu bahnen.
Das gesamte Dorf war auf den Beinen und feierte. Musiker und Tänzer verzauberten Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Menschen blieben stehen, um mit Richard und Kahlan kurz ein paar Worte zu wechseln. Die Jugendlichen, vor allem die jungen Mädchen, die früher stets übertrieben schüchtern gewesen waren, gratulierten ihnen jetzt unerschrocken in aller Öffentlichkeit. Es war der festlichste Anlaß, den Kahlan je erlebt hatte. Angelockt von den unterschiedlichen Düften, drängten sich Menschen vor den verschiedenen Pfahlbauten, wo Gerichte zubereitet wurden, und kosteten von den Speisen. Eine Gruppe junger Frauen ging mit Schalen und Platten herum und verteilte Köstlichkeiten.
An einem der Kochfeuer sah Kahlan spezielle Frauen ein einzigartiges Gericht zubereiten, das nur bei Versammlungen gereicht wurde. Dort kam niemand zusammen, um zu probieren. Das Gericht wurde, einem strengen Protokoll folgend, nur von diesen Frauen gereicht, und nur auf Einladung. Cara gefiel es nicht, wie dicht die Menschen ihre Schützlinge umdrängten, sie tat jedoch ihr Bestes, um verständnisvoll und dabei gleichzeitig wachsam und bereit zu bleiben, um reagieren zu können. Sie hatte ihren Strafer nicht in der Hand. Kahlan wußte jedoch, daß er nie weiter als eine kurze Handbewegung entfernt war.
Die jungen Frauen trugen Servierteller mit traditionellen Speisen zu und aus dem Pfahlbau, zu dem der Vogelmann sie geschickt hatte. Richard schob sich, Kahlan bei der Hand haltend, durch die Menschenmenge rings um die Plattform.
Endlich waren sie bis zum Rand der Menschenmenge vor der Plattform vorgedrungen. Richard und Kahlan erstarrten vor Schreck.
»Zedd –« sagte Richard tonlos.
Dort lag, bequem hingestreckt in seinem prunkvollen violetten und schwarzen Gewand, dessen stattliche Wirkung ein wenig durch das krause Haar geschmälert wurde, das ihm in typischem Chaos vom Kopf abstand – Richards Großvater. Der knochendürre alte Zauberer sah von der Plattform auf, als junge Frauen ihm einen Servierteller mit Speisen zum Probieren reichten. Eine gedrungene Frau in dunklem Kleid und Umhang hockte mit untergeschlagenen Beinen neben ihm.
»Zedd!« Richard sprang auf die Plattform.
Zedd winkte ihm lächelnd zu. »Da bist du ja, mein Junge.« »Du lebst! Ich wußte, daß du lebst!«
»Na ja, natürlich bin ich –«
Weiter kam er nicht, da Richard ihn vom Boden hob und so fest in die Arme schloß, daß ihm die Luft mit einem deutlichen Ächzen wegblieb. Zedd trommelte Richard auf die Schultern. »Richard!« quiekte er.
»Verdammt, Richard. Du wirst mich noch zerdrücken. Laß los!« Richard setzte ihn ab und sah, wie nun Kahlan herbeieilte und ihn umarmte. »Richard hat immer wieder behauptet, daß du noch lebst, aber ich habe ihm nicht geglaubt!«
Die Frau erhob sich. »Schön, dich zu sehen, Richard.«
»Ann? Du lebst auch noch?«
Sie strahlte. »Deinem närrischen Großvater habe ich das allerdings nicht zu verdanken.« Ihre wissenden Augen wanderten hinüber zu Kahlan. »Und das kann niemand anderes sein als die Mutter Konfessor persönlich.« Richard umarmte sie, bevor sie offiziell vorgestellt wurde. Zedd nahm einen Bissen Reiskuchen, während er das Schauspiel verfolgte. Richard holte Cara nach vorn. Sie sprach, bevor er Gelegenheit dazu hatte. »Ich bin Lord Rahls Leibwächterin.«
Richard sah ihr in die Augen. »Das ist Cara, und sie ist mehr als eine Leibwächterin. Sie ist unsere Freundin. Cara, das sind mein Großvater Zedd und Annalina Aldurren, die Prälatin der Schwestern des Lichts.« »Die ehemalige Prälatin«, verbesserte Ann. »Freut mich, eine Freundin von Richard kennenzulernen.«
Wieder an Zedd gewandt, sagte Richard: »Ich kann nicht glauben, daß du hier bist. Eine schönere Überraschung hätte man uns nicht machen können. Nur, woher wußtest du, daß wir hierherkommen würden, um uns trauen zu
Weitere Kostenlose Bücher