Der Tempel der vier Winde - 8
ein. Hinter den Soldaten, wiederum ein Stück weiter den Gang hinauf, standen Cara und Egan und sahen zu.
Richard bemerkte Kahlan, ließ die Wachen stehen und kam zu ihr. Als er sie erreicht hatte, krallte sie eine Faust in sein Hemd und nahm ihn sich zur Brust.
»Beantworte mir eine Frage, Richard«, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.
»Was ist denn?« fragte Richard unschuldig erstaunt.
»Warum bist du je mit dieser Hure tanzen gegangen?«
»So habe ich dich noch nie reden hören, Kahlan.« Richard warf einen Blick in die Richtung, in die Nadine entschwunden war. »Wie hast du sie dazu gebracht, daß sie dir davon erzählt?«
»Ich habe sie ausgetrickst.«
Richard lächelte verschmitzt. »Du hast ihr gesagt, ich hätte dir die Geschichte erzählt, hab’ ich recht?«
Sie nickte nur, und sein Lächeln wurde breiter. »Ich habe einen schlechten Einfluß auf dich.«
»Tut mir leid, Richard, daß ich sie gebeten habe hierzubleiben. Davon wußte ich nichts. Sollte ich Shota jemals in die Finger bekommen, werde ich sie erwürgen. Verzeih mir.«
»Da gibt es nichts zu verzeihen. Meine Gefühle waren mir einfach dabei im Weg, das zu erkennen. Es war richtig von dir, sie zu bitten hierzubleiben.«
»Bist du sicher, Richard?«
»Sowohl Shota als auch die Prophezeiung erwähnen den ›Wind‹. Dabei spielt Nadine irgendeine Rolle. Sie muß erst einmal hierbleiben. Ich werde sie besser bewachen lassen, damit sie nicht abreist.«
»Wir brauchen keine Wachen. Nadine wird nicht abreisen.« »Wieso bist du da so sicher?«
»Geier geben niemals auf. Sie kreisen, solange sie glauben, daß es Knochen geben wird, die man abnagen kann.« Kahlan sah nach hinten in den menschenleeren Flur. »Sie hatte tatsächlich die Frechheit, mir zu sagen, ich hätte an ihrer Stelle ebenso gehandelt.«
»Nadine tut mir ein bißchen leid. Sie hat auch ihre guten Seiten, aber was wahre Liebe ist, wird sie wohl nie erfahren.«
Kahlan spürte seine Wärme in ihrem Rücken. »Wie konnte Michael dir so was antun? Wie konntest du ihm je vergeben?«
»Er war mein Bruder«, meinte Richard leise. »Ich hätte ihm alles vergeben. Eines Tages werde ich vor den Guten Seelen stehen. Ich möchte ihnen keinen Grund liefern zu sagen, ich sei nicht besser gewesen.
Was er jedoch anderen angetan hat, das konnte ich ihm nie verzeihen.«
Sie legte ihm die Hand tröstend auf den Arm. »Ich glaube, jetzt verstehe ich, warum du willst, daß ich dich zu Drefan begleite. Die Seelen haben dich mit Michael auf eine harte Probe gestellt. Ich denke, du wirst feststellen, daß Drefan ein besserer Bruder ist. Er ist vielleicht ein wenig arrogant, aber er ist ein Heiler. Außerdem dürfte es schwer sein, zwei so schlechte Menschen zu finden.«
»Nadine ist auch eine Heilerin.«
»Nicht, verglichen mit Drefan. Seine Begabung grenzt an Magie.«
»Glaubst du, er besitzt Magie?«
»Ich glaube nicht, allerdings kann ich das unmöglich genau sagen.«
»Ich werde es spüren. Falls er Magie besitzt, werde ich es erfahren.«
Die Wachen auf ihren Posten in der Nähe des Salons der Mutter Konfessor salutierten, nachdem Richard ihnen Anweisungen gegeben hatte. Kahlan blieb an seiner Seite, während sie den Flur entlanggingen. Cara richtete sich auf, als Richard kurz vor ihr stehenblieb. Selbst Egan reckte erwartungsvoll den Kopf. Cara sah müde und elend aus, fand Kahlan.
»Cara«, sagte Richard schließlich, »ich werde jetzt diesen Heiler aufsuchen, der Euch gerettet hat. Wie ich hörte, ist er ebenfalls ein unehelicher Sohn von Darken Rahl, genau wie ich. Warum begleitet Ihr mich nicht? Ich hätte nichts dagegen, eine … gute Freundin dabeizuhaben.«
Cara runzelte die Stirn. Sie war den Tränen nahe. »Wenn Ihr es wünscht, Lord Rahl.«
»Ich wünsche es. Du auch, Egan. Egan, ich habe den Soldaten gesagt, daß ihr alle passieren dürft. Holt Raina und Ulic und nehmt sie ebenfalls mit.«
»Ich bin unmittelbar hinter Euch, Lord Rahl«, antwortete Egan mit einem strahlenden Lächeln.
»Wo wartet Drefan?« fragte Kahlan.
»Ich sagte den Wachen, sie sollen ihn in einem Gästezimmer im Südostflügel unterbringen.«
»Am anderen Ende des Palastes? Warum so weit weg?«
Richard bedachte sie mit einem Blick, dem sie nichts entnehmen konnte. »Weil ich wollte, daß er hierbleibt, unter Bewachung, und das war der Punkt, wo er am weitesten von deinen Gemächern entfernt ist.«
Cara trug noch immer ihre rote Lederkleidung. Sie hatte keine Zeit
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