Der Tempelmord
bringen, der Heuchler! Angeblich lag sogar schon ein flaches Boot im versandeten ägyptischen Hafen bereit, um sie in Sicherheit zu bringen. Er schien tatsächlich davon überzeugt gewesen zu sein, daß sie ihm seine Lügen glauben würde. Zum Schein hatte sie sich auf sein Angebot eingelassen und war mit ihm gegangen. Bei der erstbesten Gelegenheit jedoch war sie ihm davongelaufen. Durch die halbe Stadt hatte sie die Verfolgung geführt, bis er sie schließlich einholte und mit der mittlerweile verloschenen Fackel niederschlug. Mochte die Große Schlingerin ihn in ihren Abgrund reißen, diesen verfluchten Bastard!
Die Priesterin blickte zum Himmel. Das helle Licht der Sonne schmerzte ihren Augen, und wieder begann ihre Schläfe zu pochen. Es war kurz nach Mittag. Die Sonne hatte ihren Zenit noch nicht lange überschritten. Samu leckte sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Sie hatte seit fast zwanzig Stunden nichts mehr getrunken.
Sie versuchte, etwas zu rufen und auf sich aufmerksam zu machen, doch sie bekam nur ein heiseres Krächzen heraus.
Hinter ihr ertönte wieder das Plätschern von Wasser. Offenbar wurden gerade die Kamele getränkt.
»Na, bist du doch noch zu dir gekommen.« Ein dunkles Männergesicht tauchte über ihr auf. »Ich hatte schon befürchtet, der Söldner hätte dir den Schädel eingeschlagen.« Der Mann trug eine lange, bis über die Knie hinabreichende Tunica aus hellblauem Leinenstoff. Um den Kopf hatte er ein schmutzigweißes Leinentuch gebunden. Seine Haut war dunkel, fast schon schwarz. Freundlich lächelnd hielt er Samu einen Wasserschlauch entgegen. »Trink nicht zu viel auf einmal, sonst wird dir schlecht, und du hast nichts von der Sache.«
Samu streckte ihm die gefesselten Hände entgegen, doch er schüttelte nur den Kopf. »Trinken kannst du auch so.
Der Söldner hat mich vor dir gewarnt. Es ist eigentlich nicht meine Art, auf diese Weise mit Frauen umzugehen, noch dazu, wenn sie so hübsch sind wie du, doch ich habe mit deinem ägyptischen Freund ein Geschäft abgeschlossen, und da ich ein Ehrenmann bin, werde ich mich an jede der besprochenen Vereinbarungen halten. Der Ägypter hat eine Menge Gold für dich gezahlt.« Der Beduine lachte leise und schüttelte dabei den Kopf. »Du mußt eine eigenartige Frau sein. Ein Geschäft wie dieses habe ich noch nie abgeschlossen. Ja, nicht einmal gehört habe ich von so etwas!«
Samu schluckte. Was meinte dieser ungewaschene Beduine? Sie griff nach dem Wasserschlauch und setzte das aus Horn geschnitzte Mundstück an die Lippen. Das Wasser war angenehm kühl. Es war wohl gerade erst aus einem Brunnen geschöpft worden. Sie trank in kleinen Schlucken und hörte auf, bevor sie wirklich ihren Durst gestillt hatte. Stumm reichte Samu dem Beduinen den Schlauch zurück, doch der Mann schüttelte den Kopf. »Behalt das Wasser! Ich werde nicht jedesmal nach dir sehen können, wenn du Durst hast. Ich habe eine große Karawane zu führen und werde nur während der Mittagsrast und abends ein wenig Zeit für dich haben. Kannst du eigentlich reiten, Weib?«
»Nur schlecht. Es widerspricht der Würde einer Isispriesterin, auf dem Rücken irgendeines Tieres zu sitzen!«
Der Beduine lachte breit. »Du kannst auch gerne laufen, doch fürchte ich, daß dies deinen zarten Priesterinnenfüßen nicht wohl bekommen wird.«
Samu senkte den Blick und tat beschämt. Es wäre besser, mit dem Kerl nicht zu streiten. Zumindest noch nicht. Erst mußte sie erfahren, wo sie war und was für ein Schicksal ihr bestimmt sein sollte. »Soll ich als Sklavin verkauft werden?«
»O nein, meine Schöne!« Das Grinsen des Beduinen wurde noch breiter. »Ich habe schon Hunderte von Sklavinnen durch die Wüsten gebracht. Wäre dies deine Zukunft, dann hätte ich dein Schicksal nicht außergewöhnlich genannt.«
Samu spürte, wie sich ihr Magen schmerzhaft zusammenzog.
Was bei Isis hatte der Kerl mit ihr vor? Was für eine Schurkerei hatte Hophra ersonnen, um sie zu quälen?
Ein Mann mit mürrischem Gesicht erschien und hockte sich neben dem Karawanenführer in den Sand. »Wir haben die Lasten umverteilt. Die Kleine hat jetzt ein Kamel für sich allein, Haritat.«
»Du siehst, meine ägyptische Prinzessin, ich gebe mir alle Mühe, deine Reise so angenehm wie möglich zu gestalten.«
Samu hob ihre gefesselten Hände. »Wenn du mich hiervon befreien könntest, würde ich dir sicherlich zustimmen. Ich biete dir Gold dafür, wenn du mich laufen läßt. Was hältst du
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