Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tempelmord

Der Tempelmord

Titel: Der Tempelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
schien der Vater des Kaufmanns Pompeius bei seinem Feldzug gegen die Piraten unterstützt zu haben.
    Es gab Handelsabkommen, die das Vorkaufrecht auf bestimmte Waren sicherten, und Absprachen, die dazu dienten, Kaufleute, deren Namen Samu nicht kannte, in die Isolation und schließlich in den Ruin zu treiben. Doch so sehr sie auch suchte, sie fand nichts über den Einkauf der Geschenke, die an den Hof des Ptolemaios gebracht worden waren, keine Anweisungen an den Kapitän Oiagros, aus denen sich ableiten ließ, daß ein Mordanschlag geplant war. Der einzige Beweis, den sie nach wie vor hatte, war die Äußerung Elagabals über die Fahrt nach Ephesos. Hatte der Kaufmann vielleicht etwas geahnt und alle Spuren verwischt? Samus Blick glitt über die lange Reihe der Kisten mit den Tontafeln. Nein, der Phönizier dachte gar nicht daran, Spuren zu verwischen. Er war ein Pedant! Über alle zwielichtigen Geschäfte und Schurkereien seines jungen Lebens hatte er sorgfältig Buch geführt.
    Ein Geräusch auf der Treppe ließ Samu herumfahren. Intuitiv zuckte ihre Hand zu dem Dolch, den sie unter ihrem Gewand verborgen trug.
    Auf der Treppe stand Hophra. In der Rechten hielt er eine fast verloschene Fackel. Seine Linke lag auf dem Knauf des langen Reiterschwertes, das er umgegürtet hatte. Im unsteten Licht wirkte das Gorgonenhaupt auf seinem weißen Leinenpanzer seltsam lebendig. Es grinste nicht nur, es schien Samu geradezu auszulachen. Die Priesterin stand wie versteinert da und starrte den Söldner an.
    »Hattest du genug Zeit, um zu finden, was du suchst, meine Liebe?« Der Krieger lächelte, doch seine Augen blieben kalt.
    »Du mußt wissen, daß ich kein Verräter bin, Philippos. Ich konnte einfach nicht ...« Abimilku brach mitten im Satz ab und starrte auf das nächtliche Meer. Der Schiffer hatte Philippos nach den Kampfübungen gebeten, mit ihm zu kommen. Die beiden hatten an einer einsamen Stelle die Stadtmauer erklommen, um sich dort, weitab neugieriger Lauscher, auszusprechen.
    Der Grieche hatte am Morgen nach der Prüfung seine Sachen zusammengeschnürt und war in das Haus des Judäers zurückgekehrt. Seit er in die Verschwörung gegen Marcus Antonius eingeweiht worden war, mußte er nicht mehr unter einem Dach mit Abimilku wohnen. Er war nicht mehr auf den Kapitän angewiesen! Jetzt kannte er bedeutendere Männer und konnte auf anderen Wegen nachforschen, wer in den Anschlag auf Ptolemaios verwickelt war. Obwohl er selbst ein Spitzel gewesen war, fühlte er sich durch den Taucher mißbraucht und verletzt. Er hatte für den Mann echte Freundschaft empfunden. Er hatte ihm den Arm, ja vielleicht sogar das Leben gerettet, und dann das .
    »Es tut mir leid, Philippos. Behandle mich nicht wie einen Schurken. Kannst du mich denn nicht verstehen? Ich mußte zwischen meiner Treue zu dir und meiner Stadt wählen. Ich habe es mir dabei wirklich nicht leichtgemacht .«
    »Bist du sicher, daß du diesen Gedanken wirklich bis zum Ende geführt hast? Du glaubst, deiner Stadt einen Dienst zu erweisen?« Philippos mußte vorsichtig sein. Er wollte, daß sich Abimilku über die Konsequenzen, die eine Rebellion in Tyros haben würde, im klaren war. Gleichzeitig hatte der Grieche aber auch Angst davor, sich wieder als Spitzel verdächtig zu machen. Er durfte nicht zu offen Partei gegen die Verschwörer ergreifen. Vielleicht sollte er das Gespräch auch einfach beenden? Was interessierte ihn das Schicksal dieser Menschen? Er sollte nicht sentimental sein . Schließlich hatte er nur ein paar Tage mit ihnen unter einem Dach gelebt! Vor seinem geistigen Auge sah er das brennende Tyros, sah plündernde römische Soldaten durch die Straßen stürmen. Philippos ballte die Fäuste. Er mußte an Abimilkus Frau und deren Kinder denken. Und er wußte, was mit ihnen geschehen würde.
    »Natürlich erweise ich meiner Stadt einen guten Dienst«, entgegnete der Seemann nach längerem Schweigen trotzig. »Ich diene meinen Göttern. Azemilkos, der Hohepriester des Melkart, hatte eine Vision. Er hat gesehen, daß die Königin Ägyptens von Alexandrien bis Pergamon herrschen wird und daß die mächtigsten Römer ihr zu Füßen liegen werden. Die Götter selbst werden sich gegen die fremden Eroberer und ihre Vasallen erheben. Weißt du, überall erzählt man sich Geschichten davon, wie sich die Artemis von Ephesos gegen den Pharao empört hat, der in ihrem Hause Zuflucht suchte. In ihrem Zorn hat sie den Mundschenk und die Geliebte des Herrschers

Weitere Kostenlose Bücher