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Der Tempelmord

Der Tempelmord

Titel: Der Tempelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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von Misenum verabschiedet hatte. Seine Haut war sonnengebräunt, sein Gesicht von Bartstoppeln gerahmt, und tiefe, dunkle Ringe lagen unter seinen Augen. Marcus Antonius wirkte erschöpft, und in seinen Zügen spiegelte sich eine Härte, an die sich die Priesterin von ihrer letzten Begegnung nicht erinnern konnte. Der Feldherr musterte sie einen Augenblick und wirkte im ersten Moment unschlüssig, bis plötzlich ein Lächeln um seine Lippen spielte. »Samu, nicht wahr?«
    Die Priesterin verneigte sich. »Es schmeichelt mir, daß Ihr Euch an eine unbedeutende Dienerin des Pharaos erinnern könnt.«
    »Ich habe weder dich noch deine charmante, kleine Schülerin vergessen, Priesterin. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir früher in einem vertrauteren Ton miteinander gesprochen. Ich bin zwar jetzt der kommandierende Feldoffizier in diesem Lager, doch davon abgesehen bin ich immer noch derselbe Mann wie früher. Es gibt also keinen Grund, mich so formell anzusprechen. Mit solchen Kleinigkeiten halten wir uns hier im Lager nicht auf.«
    »Ich danke dir für diesen warmherzigen Empfang. Ich muß gestehen, daß ich mit einiger Sorge gekommen bin, nachdem der Centurio der Torwache mir in Aussicht gestellt hatte, man könnte mich vielleicht wie eine Hetaire behandeln.«
    Marcus Antonius lachte und blickte zu dem Offizier, der sich sichtlich unwohl in seiner Haut fühlte. »Ich fürchte, Sextus hat schon zu lange kein Weib mehr beglückt. Du mußt wissen, daß meine Männer seit fast vier Monaten im Feld stehen und sie kaum Gelegenheit hatten, sich nach Unterhaltung umzusehen. Da kann es schon einmal passieren, daß eine so schöne Frau wie du sie auf unziemliche Gedanken bringt. Doch laß uns nicht länger hier draußen stehen.« Der Praefectus gab seinen Leibwachen ein Zeichen, und die Krieger ließen Samu passieren.
    Das Zelt des Feldherren wurde von einem großen Tisch beherrscht, auf dem Landkarten und allerlei Schriftrollen lagen. Drei junge Tribunen standen um den Tisch herum und musterten Samu kritisch, als sie eintrat.
    Die Priesterin räusperte sich verlegen. »Ich habe eine wichtige Nachricht für dich, die ich dir lieber unter vier Augen mitteilen würde.«
    »Mach dir keine Gedanken, ich habe keine Geheimnisse vor meinen Männern.« Antonius lachte laut. »Außerdem wäre es schlecht für die Moral der Truppe, wenn ich allein mit dir in diesem Zelt bleiben würde. Bislang habe ich mir kein Vergnügen gegönnt, das ich nicht auch einem einfachen Soldaten zubilligen würde. Nicht, daß ich dir zu nahe treten wollte, Samu, doch da ich einen gewissen Ruf unter den Männern habe, würde es bestimmt Gerede geben ...« Der Praefectus lächelte verschmitzt.
    Die Priesterin spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Doch dann faßte sie sich und begann, dem Feldherren von den Giftmorden in Ephesos und den Vorfällen in Tyros zu erzählen.
    Marcus Antonius hatte sich inzwischen einen Becher voller Wein eingeschenkt und sich auf einer Ecke des Kartentischs niedergelassen. Als Samu ihren Bericht beendet hatte, schüttelte er nachdenklich den Kopf. »Diese Phönizier! Sie denken zu kompliziert. Kein Wunder, daß sie ihre Macht verloren haben. Heute morgen erst hat mich ein Bote dieses Kaufmanns Iubal aufgesucht. Er hat mich genau wie du vor dem Anschlag gewarnt, den man auf mich verüben will. Und jetzt kommst du daher und erklärst mir, daß der Mann für ein Mordkomplott verantwortlich ist, das sich gegen den Pharao richtet. Was soll man davon halten? Iubal versucht, mein Leben zu retten und will zugleich einen Verbündeten Roms ermorden lassen. Mir scheint, wir werden morgen einen interessanten Tag mit den Stadtvätern von Tyros verleben.«
    Samu starrte den jungen Feldherren entgeistert an. »Du willst doch nicht etwa trotz der Warnungen in die Stadt? Ganz Tyros ist bereit zum Aufstand! Es wird ein Blutbad geben!«
    »Ich kann nicht anders«, entgegnete Antonius zynisch lächelnd. »Der Hohepriester hat mich eingeladen, an einem Fest des Gottes Melkart teilzunehmen. Das heißt, daß die Tyrener mir anbieten, was sie dem großen Alexander verwehrt haben. Sie schätzen mich höher als den mächtigsten Feldherren, den es jemals gegeben hat . Ich kann diese Einladung nicht zurückweisen, ohne mein Gesicht zu verlieren. Außerdem würde ich die Stadt damit beleidigen und noch einen weiteren Grund für einen Aufstand liefern.«
    Samu traute ihren Ohren nicht. »Wie kannst du wider besseren Wissens ein solches Gemetzel

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