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Der Tempelmord

Der Tempelmord

Titel: Der Tempelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Stimme des Mädchens war kaum noch zu hören. Ihr Griff löste sich. Sie sank zurück. Fassungslos starrte der Arzt in ihr blasses Gesicht. Was hatte sie getan? War es, weil sie ein Priesterinnengewand angelegt hatte, um ihren König zu erfreuen? War das Grund genug für Artemis gewesen, sie mit ihren unsichtbaren Pfeilen niederzustrecken? Thais war jung und dumm gewesen. Kannte die Göttin denn keine Gnade?
    »Anubis hat sich jetzt ihrer angenommen. Du kannst ihr nicht mehr helfen.« Samu löste sanft die Hand der Toten aus seinem Griff.
    Philippos schluckte. Er wollte etwas sagen, doch brachte er kein Wort über die Lippen.
    Samu war überrascht, wie betroffen der Grieche vom Tod der Hetaire war. Es herrschte bedrückende Stille in dem Raum. Schließlich war Ptolemaios der erste, der die Sprache wiederfand. »Woran ist Thais gestorben, Priesterin?«
    »An Eurem Hochmut, göttliche Majestät. Sie hat Artemis herausgefordert, um Euch zu gefallen. Seht sie Euch an! So wie Buphagos hat sie keine sichtbaren Wunden davongetragen. Die grausame Göttin von Ephesos hat Thais gerichtet, und ich .«
    »Genug, Weib!« fiel ihr Potheinos ins Wort. »Wie kannst du es wagen, dem Pharao Vorhaltungen zu machen. Wir müssen nun besonnen vorgehen! Dieser Todesfall kann uns allen zum Verhängnis werden. Wir müssen um jeden Preis verhindern, daß bekannt wird, wie Thais gestorben ist und welche Kleider sie dabei getragen hat. Zieh sie aus, Philippos! Und du, Samu, wasch ihr das Gesicht! Sie soll aussehen, als würde sie schlafen.«
    Ptolemaios räusperte sich leise. »Es ist nicht nötig, daß du an unserer Stelle eine aufsässige Priesterin maßregelst, Potheinos. Und was dich angeht, Samu, so befehlen wir dir, bis zur Mittagsstunde einen Weg zu ersinnen, wie wir den Tod dieser Hetaire erklären können. Schaffst du dies nicht, so werden wir dich noch heute vom Hof verbannen und nach Ägypten zurückschicken. Wir werden dafür sorgen, daß du nie wieder auch nur in die Nähe unserer Tochter Kleopatra gelangst. Wir wissen sehr gut, wieviel sie dir bedeutet. Also sei klug, Priesterin, und füge dich!«
    »Ich werde .«
    »Es wird nicht schwierig sein, einen Selbstmord bei Thais vorzutäuschen«, unterbrach sie Philippos. »Laßt uns nur machen, Eure göttliche Majestät. Wir beide werden alles zu Eurer Zufriedenheit erledigen. Als Heiler wird jeder unserem Wort glauben, und was wirklich geschehen ist, bleibt ein Geheimnis.«
    »Wir sind erfreut zu sehen, daß du ein Mann bist, dem unser aller Sicherheit wichtiger als irgendwelche verdrehten Moralvorstellungen ist. Männer wie du sind eine Bereicherung für unseren Hof, Grieche.«
    Samu biß sich auf die Lippen. Sie hatte begriffen, daß jedes Wort, das sie noch gegen den tyrannischen Pharao richtete, sie ihr Leben kosten konnte. Und sie mußte leben, wenn sich die Dinge in Ägypten einmal ändern sollten. Sie hatte Einfluß auf Kleopatra, und die junge Prinzessin würde einst herrschen. Das Mädchen war auf einem guten Weg. Nach Generationen würde sie die erste Herrscherin auf dem Thron von Alexandria sein, die ihr Volk kannte. Die Ptolemaier hatten bislang nicht einmal die Sprache ihres Landes gelernt. Im Palast wurde nur griechisch gesprochen, und die Pharaonen maßten sich die Namen von Göttern an, deren Wesen sie nicht einmal begriffen hatten. Kleopatra jedoch war anders! Sie sprach fließend die Sprache Ägyptens und noch ein halbes Dutzend anderer dazu. Mit Samus Hilfe würde sie in die Mysterien der Isis eingeweiht werden. Schon jetzt, mit ihren vierzehn Jahren hatte Kleopatra tieferen Einblick in die Geheimnisse der Priester, als ihr Vater ihn jemals erlangen würde. Das einzige, was Samu Sorge bereitete, war die Tatsache, daß die Prinzessin auch einen Teil der Verschlagenheit ihres intriganten Vaters geerbt hatte. Sicher würde ihr das nutzen, wenn sie eines Tages Herrscherin war, doch mit all ihrem anderen Wissen mochte sie auch eine Königin werden, die grausamer war als alle Herren, die Ägypten bisher gesehen hatte. Es galt, sie auf den richtigen Weg zu bringen! Und das war ihre Aufgabe, dachte Samu. Diesem Ziel war alles andere unterzuordnen, auch wenn sie sich dafür vor dem Pharao demütigen mußte ... Sollte sie vom Hof verbannt werden, dann würden Männer wie Potheinos versuchen, Kleopatra nach ihrem Bild zu formen. Die Prinzessin war jung und der Eunuch klug .
    Widerwillig half Samu Philippos dabei, die Hetaire zu entkleiden. Sie hatte Thais nie gemocht, und doch

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