Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
bewahre. Der Junge mochte Schweinebraten.
»Komm«, sagte Byrne. »Ich weiß, wo es die besten Schweinebraten-Baguettes der Stadt gibt.«
»Ich hab kein Geld.«
»Ich lade dich ein.«
Der Junge trat gegen einen imaginären Kieselstein. »Ich will nicht, dass Sie mich zu irgendwas einladen.«
Byrne seufzte. »Ich sag dir was. Heute bezahle ich das Essen. Wenn wir uns mögen – aber dafür gibt es keine Garantie, ich mag nicht viele Menschen –, bezahlst du bei unserem nächsten Treffen. Wenn nicht, schicke ich dir eine Rechnung über den halben Betrag.«
Jetzt deutete der Junge tatsächlich ein Lächeln an. Um es zu überspielen, blickte er die Filbert Street hinunter. Die Zeit dehnte sich, doch jetzt war Byrne gewappnet. Der Junge hatte keine Ahnung, mit wem er es zu tun hatte. Byrne hatte die letzten zwanzig Jahre seines Lebens als Detective bei der Mordkommission verbracht, die Hälfte davon bei Beschattungen. Er hatte mehr Geduld als ein Betonklotz.
»Okay«, sagte der Junge schließlich. »Hier draußen ist es sowieso arschkalt.«
*
Als Byrne und der Junge in der Schlange bei DiNic’s warteten, sagte keiner von beiden ein Wort. Trotz der vielen Hintergrundgeräusche – ein halbes Dutzend verschiedener Sprachen, das Klappern der Teller, das Surren der Schneidemaschinen, das Kratzen der Pfannenwender auf den Bratrosten – empfand Byrne das Schweigen zwischen ihm und dem Jungen als Belastung. Er wusste aber nicht, was er sagen sollte. Seine Tochter Colleen, die ihr Studium an der Gallaudet University begonnen hatte, war mit vielen Vorteilen aufgewachsen, die dieser Junge nicht besaß – sofern man es als Vorteil bezeichnen konnte, Kevin Byrne zum Vater zu haben.
Der Junge, der neben ihm stand, mit ungerührtem Blick, die Hände noch immer in den Taschen vergraben, war in der Hölle aufgewachsen.
Byrne wusste, dass Gabriels Vater im Leben seines Sohnes nie eine Rolle gespielt hatte. Seine Mutter, Tanya Wilkins, war gestorben, als Gabriel drei Jahre alt gewesen war. Tanya, eine Prostituierte und Drogensüchtige, war in einer eisigen Januarnacht in einer Gasse in Grays Ferry erfroren, nachdem sie das Bewusstsein verloren hatte. Und Gabriels einziger Bruder Terrell hatte vor zwei Jahren Selbstmord begangen.
Seitdem wurde Gabriel von einer Pflegefamilie zur anderen weitergereicht. Ein paar Mal war er mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, meist wegen kleinerer Ladendiebstähle, doch es gab keinen Zweifel, in welche Richtung der Weg führte.
Als sie an der Theke standen, bestellte Byrne für jeden ein Riesenbaguette. Die Baguettes von DiNic’s waren so groß, dass Byrne erst wenige Male eins ganz geschafft hatte. Trotzdem bestellte er für jeden eins und bedauerte es sogleich, denn er begriff, dass er angeben wollte.
Der Junge riss die Augen auf, als er das riesige Baguette sah, das er mit niemandem teilen musste. Dazu gab es eine Portion Pommes und eine Limo. Doch er setzte sofort wieder eine kühle Miene auf, als könnte ihn nichts und niemand beeindrucken.
Sie suchten sich einen Tisch, setzten sich und machten sich über die Baguettes her.
Während sie schweigend aßen, überlegte Byrne, worüber er sich mit dem Jungen unterhalten könnte. Sport? Die Flyers, die Eishockeymannschaft der Stadt? Die Sixers, das Basketballteam? Das wäre ein unverfängliches Thema gewesen. Stattdessen schwieg er.
Zehn Minuten später hob er den Blick zu Gabriel, der bereits das halbe Sandwich verdrückt hatte. Byrne fragte sich, wann der Junge zum letzten Mal etwas gegessen hatte.
»Das schmeckt, stimmt’s?«, sagte Byrne.
Gabriel zuckte mit den Schultern. Byrne nahm an, dass der Junge mitten in seiner Trotzphase steckte. Mit vierzehn, fünfzehn Jahren war Byrne ihm ähnlich gewesen. Alles war ein Rätsel, jede Frage ein Verhör. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Die Elfjährigen schienen die neuen Fünfzehnjährigen zu sein.
Als sie fertig gegessen hatten, schob Gabriel die Ärmel seines Kapuzenshirts hoch. Byrnes Blick huschte unwillkürlich über Arme, Hände und Hals des Jungen auf der Suche nach Tattoos, Brandnarben oder anderen Wunden, die der Beweis für die Aufnahme in eine Straßengang hätten sein können. Wenn es jemals einen Jungen gegeben hatte, der prädestiniert dafür war, in eine Gang aufgenommen zu werden, dann war es Gabriel Hightower.
Doch Byrne sah weder Tätowierungen noch Wunden.
Nach dem Essen saßen sie sich wieder schweigend gegenüber, und das Ende des ersten Treffens nahte
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