Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
Joe Hands Boxklub in der Dritten Straße in Northern Liberties im Ring. Die letzte der drei Runden eines Trainingsfights begann. Jessica trainierte für einen bevorstehenden Schaukampf beim jährlichen Boxturnier des Polizeisportvereins.
Ihre heutige Gegnerin war eine Neunzehnjährige namens Valentine Rhames, die im Rock Ministry Boxing Club in der Kensington Avenue boxte.
Jessica war keine Expertin, ging aber davon aus, dass Mädchen wie Valentine keinen Bizepsumfang von fünfunddreißig Zentimetern und Schultern wie ein Raubritter haben sollten, von den riesigen Fäusten ganz zu schweigen. Diese Frau aber war gebaut wie Schwarzenegger.
Der bevorstehende Schaukampf wurde ausgetragen, um Geld für die Jugendarbeit des Polizeisportvereins zu sammeln – eine karitative Sache, eine Sache des Herzens , verdammt noch mal, da sollte doch niemand verletzt oder gar totgeschlagen werden. Doch kaum war das Läuten der Glocke verklungen, das die dritte Runde einläutete, stürmte Valentine durch den Ring, und es sah ganz so aus, als hätte sie nichts davon mitbekommen.
Jessica wich dem Angriff mühelos aus. Obwohl der Kopfschutz ihr Gesichtsfeld seitlich begrenzte, gelang es ihr, eine kräftige Rechte auf Valentines Kopfseite zu landen. Ein verbotener Schlag, wenn man es mit den Regeln genau nahm, aber darüber würde Jessica später nachdenken. Fall es ein Später für sie gab.
Zwei Minuten später ertönte die Glocke erneut. Der Kampf war zu Ende, und Jessica lebte noch. Sie war schweißüberströmt und hatte Schmerzen am ganzen Körper.
Frisch wie der junge Morgen fiel ihre Gegnerin ihr um den Hals und rief: »Danke für das Training, Ma’am!«
Ma’am?
Jessica hätte Valentine am liebsten aus dem Ring geprügelt, nur hatte sie gerade erst genau diese Möglichkeit gehabt und kläglich versagt.
Ma’am.
*
Jessica und Vincent Balzano verbrachten die ersten acht Jahre ihrer Ehe mit einem Kind. Lange Zeit glaubte Jessica, dass es bei diesem einen Kind bleiben würde.
Drei Jahre lang versuchte Jessica, schwanger zu werden, sprach mehrmals mit ihrem Hausarzt, las fast jedes Buch über dieses Thema und konnte sich eben noch zurückhalten, einen Spezialisten für künstliche Befruchtungen aufzusuchen.
Und dann geschah im letzten Jahr ein Wunder. Sie adoptierten einen zweijährigen Jungen namens Carlos, und für beide begann ein neues Leben.
Zu Jessicas Verwunderung verdoppelte sich durch das zweite Kind nicht die Verantwortung als Mutter, sie vervierfachte sich. Irgendwie war es vier Mal so viel Arbeit und erforderte vier Mal so viel Organisation, Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme. Jessica dachte noch immer über ein zweites Baby nach, obwohl sie im Laufe des Jahres an diesem Wunsch zu zweifeln begann. Sie war mit nur einem Bruder in einer kleinen Familie aufgewachsen – klein nach den Maßstäben einer katholischen Familie mit italienischen Wurzeln in South Philly. Deshalb waren ein Junge und ein Mädchen mit einem Altersunterschied von ein paar Jahren genau richtig.
Dennoch wünschte Jessica sich noch ein Kind.
Vor einem Jahr waren sie aus Lexington Park im Nordosten der Stadt zurück nach Süd-Philadelphia gezogen, in die Gegend, in der Jessica aufgewachsen war. Der Umzug brachte eine Reihe von Vorteilen. Sie wohnten nur einen Block von Sophies Schule entfernt, der Sacred Heart of Jesus, und bis zum italienischen Markt war es auch nicht weit. Das bedeutete Brot von Sarcone’s, Sfogliatelle und Cannoli von Termini’s, Käse von DiBruno’s.
Als Jessica heute Morgen die Müslischalen auf den Tisch stellte, stürmte ihr Ehemann in die Küche. Im Nu hatte er sich einen Power-Riegel geschnappt, schüttete den Kaffee in seinen Trinkbecher für unterwegs und warf sich den Mantel über. Er küsste Jessica auf die Wange, sagte: »Ich liebe dich, mein Schatz«, und verschwand durch die Tür.
Jessica trank einen Schluck Kaffee und schaute aus dem Fenster. Als sie ihren Mann beobachtete, wie er die Straße überquerte und in seinen geliebten restaurierten Pontiac Trans Am stieg, überlegte sie, welche Botschaften in diesem »Ich liebe dich, mein Schatz« steckten. Oberflächlich betrachtet bedeutete die Aussage, dass er sie liebte, und diese Worte konnte sie gar nicht oft genug hören. Doch es versteckte sich noch mehr hinter der Botschaft: Für meine kleine Bekundung der Zuneigung machst du das Frühstück, du ziehst beide Kinder an, du machst ihnen Sandwiches, schließt das Haus ab und bringst sie zur Schule und zur
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