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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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das Saarland deutsch oder französisch werden solle, durch Agitation für Frankreich kompromittiert hatten, war wohl nichts andres übriggeblieben, als nach Frankreich zu flüchten. Frankreich hatte ihnen besonderen Schutz versprochen, jetzt verwahrte es sie im Konzentrationslager.
    Von den vier saarländischen Arbeitern, mit denen ich mich anfreundete, war einer Maschinenheizer, einer war in einer Möbelfabrik angestellt gewesen, dann war da mein Nachbar im Stroh, der Mechaniker, und ein zweiter Mechaniker mir schräg gegenüber. Französisch sprachen alle vier wie ihre Muttersprache, drei waren mit französischen Frauen verheiratet. Mir halfen sie mit Vergnügen und mit Erfolg, und sie waren immer bereit zu einem guten Schwatz. Ich habe von ihnen viel erfahren über das Leben der Arbeiter im Saarland und in Südfrankreich.
    Dann war da in meiner Nachbarschaft ein lustiger sächsischer Schneider, der immerzu Hunger hatte und sich zum Küchendienst zu melden pflegte, weil dabei für ihn etwas abfiel, ferner ein Friseur, zwerghaft klein, etwas habgierig, immer auf der Lauer, und schließlich ein jovialer, weltkundiger Kneipwirt aus Toulon. Auch diese Leute waren umgänglich, doch äußerten sie im Gegensatz zu den Arbeitern keine politische Meinung, legten vielmehr Gewicht darauf, nicht etwa als Flüchtlinge zu gelten, sondern als Auslandsdeutsche, die zwar nicht zu den Nazis hielten, aber das Reich mit ordentlichen Papieren und mit Erlaubnis der Behörden verlassen hatten.
    Gruppenführer war der Kneipwirt aus Toulon. Das Amt des Gruppenführers brachte nicht etwa Vorrechte mit sich, sondern nur eine Menge Arbeit. Trotzdem wollten in jeder Gruppe mehrere Führer sein. Einige bewährten sich nicht und wurden wieder abgesetzt. Sie waren gekränkt. Es war überhaupt merkwürdig, wie viele das Bedürfnis hatten, etwas zu organisieren, sich wichtig zu machen.

    Paris hatte jetzt die Verfügung über die Internierung dahin erweitert, daß auch die österreichischen und tschechischen Flüchtlinge in die Konzentrationslager zu bringen seien, und so trafen in den nächsten Tagen Hunderte von neuen Ankömmlingen ein. Viele wurden in Polizeitransporten eingeliefert, gewöhnlich je zu zweien mit Handschellen aneinander gefesselt. An sich sollten nur Leute unter Sechsundfünfzig interniert werden, aber die Behörden nahmen es nicht sehr genau. Gefesselt eingebracht wurde zum Beispiel auch ein an gesehener Herr aus Marseille, geboren im Jahr 1882. Als er dem Polizeibeamten anhand seines Passes erweisen wollte, daß er die Altersgrenze der zu Internierenden überschritten habe, hatte der Gendarm erwidert, er sei nicht da, um zu rechnen, sondern um zu verhaften.
    Der Raum in unserer Ziegelei wurde nun sehr eng, in unserm Saal war bald jeder Winkel besetzt. Es gab jetzt unter uns Männer jeden Alters und jeder Art. Von ihren Namen habe ich wenige behalten, wohl aber habe ich mir die Gesichter und die Besonderheiten vieler gemerkt.
    Da war etwa ein Industrieller, ein Saarländer auch er, ein ruhiger, ordentlicher Herr. Immer hatte er eine kleine Maschine auf den Knien und schrieb Briefe und Aufstellungen. Er fand tausend Wege, sich Nachrichten, Zeitungen, Lebensmittel einschmuggeln zu lassen. Er teilte davon reichlich den andern mit und schuf um sich eine gewisse Behaglichkeit.
    Dann war da ein Mann, sehr bestimmt von Wesen, immer eine kleine Gruppe um sich, die auf ihn hörte. Er war Zahntechniker aus Monte Carlo und, wie sich später ergab, ein Nazi. Er kam mir von Anfang an sehr autoritär vor. Vielleicht aber auch deutete ich das Autoritative nur deshalb in ihn hinein, weil der Zufall ihm als einzigem eine Lagerstätte gegeben hatte, die, da sie zwischen zwei Zugängen zu dem Lattenwerk lag, von den andern Lagerstätten getrennt war. Der Mann, der peinlich auf Ordnung hielt, hatte diese Lagerstätte säuberlich mit Ziegeln umgrenzt. Da lag er nun des Abends und des Morgens inmitten seines Ziegelrahmens wie auf einem Katafalk, sehr eindrucksvoll.
    Dann war da, etwa zwanzig Strohbreiten von mir entfernt, der Schriftsteller Walter Hasenclever, einer der Begründer des deutschen Expressionismus.
    Es war dann weiter da ein stiller Herr, der vom ersten Weltkrieg in Indien überrascht und dort für die ganze Kriegsdauer interniert worden war. Er war ge duldig, ein richtiger Philosoph, er hatte sich ein Klappstühlchen mitgebracht und war darauf gefaßt, nun auch diesen ganzen Krieg auf seinem Klappstühlchen in einem Konzentrationslager

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