Der Teufel mit den blonden Haaren
nicht. Sie ist ein anständiges Mädchen.“
„Das glaube ich nicht —“ äffte er sie wütend nach. „Immer wenn ich mit Tatsachen komme, sagst du: das glaube ich nicht. Ich bin doch kein Idiot!“ Seine Stimme wurde immer lauter. „Kannst du denn nicht einmal von selbst auf etwas kommen, muß man dich immer mit der Nase darauf stoßen? Jetzt stecke ich bis über die Ohren im Schlamassel. Was ich tue ist Personenhehlerei — ich kann meinen Abschied nehmen, wenn es herauskommt.“
„Es muß doch nicht herauskommen“, sagte sie. „Wenn wir nett sind zu ihr, und es fällt mir absolut nicht schwer, es zu sein, dann ..
„Nett!“ schrie er sie an. „Du willst nett sein zu dieser Person, die mich ruiniert! Ja, zum Teufel, weißt du denn nicht mehr, wohin du gehörst?“
„Doch“, sagte sie ruhig. „Zu dir, zu meinen Kindern und zu diesem Haus. Daß du sie mitgenommen hast, daß du einen kleinen Fehler gemacht hast — es war das erste Mal, daß ich eine menschliche Regung an dir entdeckt habe. Ich war sehr glücklich über dich. — Was erwartest du denn jetzt eigentlich von mir?“
Sein Zorn war gebrochen. Er senkte den Kopf.
„Schon gut, verzeih, ich wollte dich nicht kränken.“
Schade, dachte sie, jetzt verkriecht er sich wieder vor mir in seinem Schneckenhaus und läßt mich draußen. Geschieht ihm recht...
„Was soll ich tun?“ fragte sie.
Er schüttelte den Kopf.
„Nichts“, sagte er. „Gar nichts. Es wäre nur schön gewesen, wenn du...“ Er brach ab, schwieg beharrlich, bis sie fragte:
„Wenn ich was, Harald?“
„Wenn du einmal gesagt hättest, daß du auf meinen Beruf, auf meine Karriere, auf dieses Haus, auf die Kinder — daß du einmal auf alles pfeifst und mir den Telefonhörer in die Hand gedrückt hättest, damit ich die Polizei anrufe.“
Sie stand auf. Dieser Mann war ihr plötzlich so fremd, als sehe sie ihn heute zum ersten Mal. Niemals hatte er eine Einmischung in seinen Kreis geduldet, nicht einmal ein Gespräch darüber — und jetzt machte er ihr Vorwürfe, daß sie ihn nicht zwang, seinen Beruf aufzugeben?
„Du bist überarbeitet“, sagte sie. „Wäre es nicht für dich am besten, du würdest vierzehn Tage Urlaub nehmen? Fortfahren? Ich werde inzwischen mit dem Mädchen schon zurechtkommen.“
Als er nicht antwortete, verließ sie leise das Zimmer.
Dr. Mercker starrte auf die grüne Platte seines Schreibtisches. So also kommt eine Krise? So sinnlos, so überraschend albern? Das Grün vor seinen Augen wurde zu einer Wiese. Das saftige Gras duftete, Blumen in allen Farben wiegten sich in leisem Wind, irgendwo war ein Wald, man hörte Axtschläge aus der Ferne — sonst überall Stille, weit und breit kein Mensch. Doch, da war ein Mensch, ein junges Mädchen mit dunkelblondem Haar und langen, schlanken Beinen. Ihr helles Lachen fügte sich in diese Landschaft.
Harald, weißt du noch damals, als du mich für die Geliebte eines Mörders hieltest... wie lange das her ist... hast du wieder einmal was von deiner Frau gehört... sie willigt endlich in die Scheidung ein... oh, Harald, ich bin so glücklich...
Seine Hände zitterten, als er sich eine seiner dünnen, schwarzen Zigarren anzündete. Wahnsinn, dachte er, heller Wahnsinn! Ist es denn möglich, daß ein Mann in meinem Alter und in meiner Stellung einfach verrückt wird? Was ist es denn, was mich zu diesem Mädchen vom ersten Augenblick an...
Er stand auf, trat ans Fenster und schaute zum Himmel hinauf, dessen helles Blau von zarten Föhnschleiern teilweise verdeckt wurde.
Föhn, dachte er, der berühmte Föhn, er macht die Menschen dumm und irrsinnig. War es wirklich vom ersten Augenblick an? Damals schon, nachts auf der Straße? Waren es ihre Beine, ihre Knie, über die sich der Rock so hochgeschoben hatte?
Geben Sie es doch zu, Angeklagter, daß Sie schon damals die Absicht hatten, dieses Mädchen zu besitzen!
Er kehrte zu seinem Schreibtisch zurück, verbarg sein Gesicht in den Händen...
„Der Föhn“, murmelte er. „Der Föhn ist ein Milderungsgrund...“
Aber er wußte, daß es nicht der Föhn war. Und er wußte auch, daß er nun alles tun mußte, um dieses Mädchen loszuwerden.
*
Eine Viertelstunde später kam Dr. Mercker zu seiner Frau ins Wohnzimmer.
„Ich habe eine dringende Sache zu erledigen“, sagte er. „Es kann länger dauern, ihr braucht mit dem Essen nicht auf mich zu warten.“
Frau Ingrids Zorn war verraucht, sie machte sich bereits Gedanken darüber, ob sie nicht
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