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Der Teufel mit den blonden Haaren

Der Teufel mit den blonden Haaren

Titel: Der Teufel mit den blonden Haaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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doch zu weit gegangen war und ihren Mann ungerecht behandelt hatte. Es ging ihr, wie einem alten Zirkuspferd, das plötzlich irgendwo anfängt, wieder im Kreise zu gehen.
    „Harald — entschuldige bitte, ich wollte vorhin…“
    Er winkte müde ab.
    „Schon gut, Ingrid, wir waren beide nervös. Es ist Föhn. Sprechen wir nicht mehr davon.“
    Sie kam ihm zwei Schritte entgegen.
    „Harald, willst du das Mädchen anzeigen? Vielleicht solltest du lieber erst mit Walther sprechen, er könnte...“
    „Nein“, sagte er. „Ich... es ist etwas anderes, ich unternehme vorerst nichts gegen sie. Morgen werde ich mir Klarheit verschaffen. Was ich im Augenblick weiß, sind Gerüchte und Lügen, vielleicht auch Wahrheit, ich kann es noch nicht beurteilen. Auf Wiedersehen...“
    Sie wollte ihm nachlaufen, aber sie blieb wie gelähmt stehen. Vor ihr tauchten plötzlich entsetzliche Bilder auf: Polizisten kamen — Sind Sie Frau Mercker? — Drüben im Wald haben wir Ihren Mann gefunden, er hat sich...
    Sie rannte hinaus zur Garage, fand ihren Mann dort nicht — er kann doch unmöglich zu Fuß fortgegangen sein — wohin sollte er denn...
    „Harald!“ rief sie in der Diele, während sie schon die Treppe hinaufrannte. „Harald?“
    Er trat aus seinem Arbeitszimmer.
    „Um Gottes willen, was ist denn los?“
    Sie blieb aufatmend stehen, dann ging sie zu ihm und legte ihre Arme um seinen Hals.
    „Harald — ich dachte... verzeih mir, ich bin wirklich entsetzlich nervös.“
    Er versperrte ihr den Weg in sein Zimmer, aber sie sah doch etwas: auf seinem Schreibtisch lag eine Pistole.
    „Harald, bitte, ich war so häßlich zu dir, ich will tun, was du für richtig hältst, nur... bitte, laß mich nicht allein.“
    Er zuckte zurück? „Was soll der Unsinn? Natürlich lasse ich dich nicht allein, ich habe nur — in zwei Stunden bin ich wieder zurück.“
    Er schob sie sanft von sich und kehrte in sein Arbeitszimmer zurück. Gaby saß vor seinem Schreibtisch, Frau Ingrid hatte sie nicht sehen können.
    „Hier bitte“, sagte Dr. Mercker und reichte ihr einen Kugelschreiber, „da ist die Paketadresse, und jetzt schreiben Sie, meinetwegen mit Druckbuchstaben:
    An das Polizeipräsidium, München, Ettstraße. — Haben Sie? Und hier auf diesen Zettel — ich habe ihn aus einem alten Schulheft meiner Kinder gerissen — schreiben Sie folgenden Text: Anbei die Pistole, mit der vermutlich am Freitag nacht geschossen wurde. — Fertig? Das ist alles.“
    Sie blickte auf, ihre Augen ließen den Richter nicht los.
    „Wirklich alles, Herr Doktor? Es ist wenig im Vergleich zu den Scherereien, die Sie nun mit mir haben. Ich würde gern noch mehr für Sie tun.“
    Harmlose Worte, aber wie sie das gesagt hatte! Dr. Mercker konnte den Blick dieser spöttisch fragenden Augen, die bis in sein Innerstes drangen, nicht mehr ertragen.
    „Es ist alles“, sagte er und fing an, die Pistole mit einem frischen Taschentuch zu polieren, ehe er sie in einen Karton verpackte. „Ich gebe sie auf dem Hauptpostamt in München auf. Kein Mensch wird mich beachten, ich will sie keine Stunde länger im Hause haben.“
    „Und mich?“ fragte Gaby leise. „Mich doch auch nicht, oder?“
    Ohne sie anzusehen antwortete er:
    „Nein, Sie auch nicht.“
    „Und warum werfen Sie mich nicht einfach hinaus? Oder warum rufen Sie die Polizei nicht an?“ Als er nicht sofort antwortete, fuhr sie ebenso leise fort: „Ich weiß es, Herr Doktor Mercker, eine Frau spürt das.“ Sie stand auf, ging an ihm vorbei zur Türe und fuhr fort: „Es geht mir genauso. Meinen Sie denn, ich würde mich hier wohl fühlen?“ Mit einigen raschen Schritten kam sie zu ihm zurück, lehnte ihren Kopf an seine Schulter und schluchzte: „So helfen Sie mir doch, Herr Doktor! Ich will ‘raus aus diesem ganzen Schmutz, ich will... Sie sind der einzige Mensch, der mir helfen kann, wenn Sie mich jetzt im Stich lassen, komme ich nie mehr auf die Beine. Ich flehe Sie an, helfen Sie mir.“
    Er roch den Duft ihres gepflegten Haars, spürte ihren jungen, straffen Körper und brachte die Kraft nicht auf, sie von sich zu stoßen. Ich will ihr glauben, dachte er, ich will — ich habe so viele Menschen verurteilt, darf ich nicht einmal einen freisprechen — gegen das Gesetz, nur aus Menschlichkeit?
    „Gehen Sie jetzt“, sagte er, und sie gehorchte wortlos.
    Mechanisch zog er sich Handschuhe an, legte die Pistole und die Mitteilung in den Karton, wickelte Papier darum, verschnürte das kleine

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