Der Teufel mit den blonden Haaren
Urban einen Schlüssel?“
„Die Gaby? Herrgott ja, natürlich — Reni, warum hast du mich nie dran erinnert. Natürlich hatte die Gaby einen. Übrigens, sie ist eigentlich gar kein Fräulein.“
„Nicht?“
„Nein, sie war mal verheiratet. Ich weiß nicht, mit wem und weiß auch nicht, ob Urban ihr Mädchennamen ist. Sie will nicht dran erinnert werden und nennt sich überall Fräulein. Und jetzt könnten Sie damit auf hören, uns den Sonntag zu verderben. Wann kann ich meinen Wagen wiederhaben?“
„Sie bekommen Bescheid“, sagte Walther und verließ das kleine möblierte Zimmer von Renate Wolfert.
Freddy nahm das Mädchen in seine Arme.
„Hat doch großartig funktioniert. Diese Burschen von der Kripo sind dümmer, als es die Polizei erlaubt. Wenn die was von einem Alibi hören, ist für sie der Fall erledigt. — Hast du gehört, wie ich Gaby belastet habe?“
„Ja. Aber...“
„Hol mir eine Flasche Bier, aber beeile dich.“
Unten auf der Straße stieg Walther Scheurich in den Polizeiwagen und ließ sich zum Präsidium zurückfahren. Von dort aus rief er Sabine an.
„Liebling, ich komme jetzt einen Sprung zu dir hinaus, ja? Übrigens, du läßt doch im Modehaus Willig arbeiten, nicht? Ja? Ich habe da einen Mantel, Maßarbeit — da werden die doch Karteikarten haben, ich suche nämlich ein Mädchen — das erzähle ich dir nachher. Servus.“
X
Zwar hatte Dr. Mercker sein Haus ungesehen verlassen, das Päckchen mit der Pistole unter seinem Mantel verborgen, aber er ahnte nicht, daß ihm Gaby bereits wieder zuvorgekommen war.
Kaum hatte sie Dr. Merckers Zimmer verlassen, als sie Mantel und Handtasche aus ihrem Zimmer holte, die Treppe hinunterschlich und noch vor dem Richter hinter der Garage verschwand. Der niedrige Balkenzaun machte ihr keine Schwierigkeiten, sie kannte sich im Gelände um das Haus Sonneck bereits aus, und so lief sie quer durch den Wald zur Omnibushaltestelle an der Landstraße. Sie war die einzige, die an dem gelben Pfahl wartete, denn an einem Sonntagnachmittag fährt nur selten jemand in die Stadt.
Zwei Autos kamen vorbei, Gaby sah den fragenden Männerblick der Fahrer: mitfahren? Sie wendete sich ab und wartete auf den Richter.
Dr. Mercker erkannte Gaby schon von weitem. Eine Sekunde schien er zu zweifeln, zumal sich das Mädchen dort vorne gerade in diesem Augenblick umdrehte.
Er bremste und hielt dicht neben ihr, während Gaby so tat, als studiere sie eingehend den Fahrplan.
„Hallo, wollen Sie nach München?“
Gaby spielte gekonnte Überraschung, während Sie sich umdrehte.
„Sie, Herr Doktor? Ich... ich dachte, Sie wären schon längst weg.“
Er beugte sich über den Nebensitz und öffnete die Tür.
„Wollten Sie nach München? Warum haben Sie das nicht gleich gesagt, Sie wußten doch, daß ich...ich kann das Päckchen doch nur in München aufgeben, ohne Verdacht zu erregen.“
Gaby zögerte noch immer, obwohl ihre Rechnung wieder einmal haargenau aufging.
„Ich... ich kann aber auch wirklich mit dem Bus fahren.“
Zum ersten Mal, seit Gaby ihn kannte, sah sie ein kleines Lächeln über Dr. Merckers Gesicht huschen.
„Natürlich können Sie. Und wenn es Ihnen lieber ist... na, so steigen Sie schon ein.“
Mit dem Gesicht eines folgsamen Schulkindes setzte sich Gaby neben ihn. Er fuhr an und fragte:
„Wohin wollen Sie denn?“
Gaby schwieg, entdeckte den herausgezogenen Ascher und fragte endlich: „Darf ich rauchen?“
„Bitte“, sagte er. „Im Handschuhkasten finden Sie Zigaretten.“
Er versuchte, sein augenblickliches Gefühl zu analysieren. Weshalb hatte er überhaupt gehalten? Weshalb war er jetzt nicht voll Ärger über dieses Mädchen? Warum verspürte er neben ihr diesen geheimnisvollen prickelnden Reiz, wie ihn Männer fühlen, wenn sie unterwegs ein Mädchen vom Straßenrand auflesen und mitnehmen, ein bildhübsches Mädchen?
Er schwieg lange, während Gaby rauchte, aber endlich stellte er die Frage, die ihn bewegte:
„Wollten Sie — zu Ihrem Freund?“
Gaby starrte ihn mit erschrockenen Augen an, dann senkte sie den Blick und antwortete:
„Wollen Sie eine Lüge hören, die Sie glauben können, oder soll ich die Wahrheit sagen, die Sie mir nicht abnehmen werden?“
Er antwortete nicht gleich. Seit dreiundzwanzig Jahren, seit er mit Ingrid verheiratet war, hatte es in seinem Privatleben nur seine Frau gegeben. Andere Frauen waren ihm gleichgültig gewesen, schienen ihm völlig geschlechtslos, weil sie entweder die
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