Der Teufel trägt Prada
zulächelte. Christian stutzte leicht, folgte seiner Blickrichtung und gewahrte mich.
»Andy, Schätzchen«, sagte er in völlig anderem Ton als noch wenige Minuten zuvor. Offenbar bereitete ihm der Rollenwechsel vom Verführer zum väterlichen Freund keinerlei Schwierigkeiten. »Kommen Sie, ich möchte Ihnen einen Freund von mir vorstellen. Das ist Gabriel Brooks, mein Agent, Manager und Rundumheld. Gabriel, das ist Andrea Sachs, sie arbeitet derzeit für Runway .«
»Freut mich, Sie kennen zu lernen, Andrea«, sagte Gabriel und nahm meine Hand auf diese ätzend behutsame Art und
Weise, die mir klar machen sollte, dass ich kein Kerl war, sondern bloß ein zartes Vögelchen, dem ein ordentlicher Händedruck sämtliche Knochen brechen würde. »Christian hat mir schon viel von Ihnen erzählt.«
»Ach ja?«, sagte ich und drückte ein bisschen fester zu, mit dem Erfolg, dass sein Griff noch lascher wurde als ohnehin schon. »Nur Gutes, will ich hoffen.«
»Gewiss doch. Wie ich höre, sind Sie ebenfalls ein aufstrebendes Talent in der schreibenden Zunft, gleich unserem gemeinsamen Freund hier?« Er lächelte.
Erstaunlich – offenbar hatte Christian tatsächlich mit ihm über mich gesprochen; unsere damalige Unterhaltung zum Thema Schreiben war für mich eigentlich nicht mehr als Smalltalk gewesen. »Ja, na ja, ich schreibe sehr gerne, und hoffe natürlich eines Tages -«
»Wenn Sie bloß halb so gut sind wie der eine oder andere, den ich über ihn bekommen habe, dann freue ich mich schon darauf, Ihre Arbeiten zu lesen.« Aus einer seiner Innentaschen kramte er ein Lederetui heraus und entnahm ihm eine Visitenkarte. »Im Augenblick ist es für Sie noch zu früh, ich weiß, aber wenn Sie so weit sind, jemandem Ihre Sachen vorzulegen, kommen Sie hoffentlich auf mich zurück.«
Ich brauchte jedes Restgramm an Willenskraft und innerer Stärke, damit mir nicht die Kinnlade herunterfiel oder die Knie den Dienst versagten. Kommen Sie hoffentlich auf mich zurück? Der Mann, der Christian Collinsworth, den literarischen Wunderknaben schlechthin, vertrat, hatte soeben seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, ich würde auf ihn zurückkommen. Der helle Wahnsinn.
»O danke«, krächzte ich und verstaute die Karte in meiner Tasche (bei erster Gelegenheit würde ich sie wieder hervorholen und von oben bis unten unter die Lupe nehmen). Die beiden lächelten mir freundlich zu; nach ungefähr einer Minute begriff ich, dass damit für mich das Zeichen zum Aufbruch gegeben
war. »Ja dann, Mr. Brooks, äh, Gabriel, hat mich wirklich sehr gefreut, Sie kennen zu lernen. Ich muss mich allmählich auf den Heimweg machen, aber hoffentlich laufen wir uns bald wieder einmal über den Weg.«
»Die Freude ist ganz meinerseits, Andrea. Nochmals Glückwunsch zu diesem fantastischen Haupttreffer. Vom College direkt zu Runway . Das ist wirklich nicht ohne.«
»Ich begleite Sie noch hinaus«, sagte Christian, nahm mich beim Ellbogen und bedeutete Gabriel, er werde gleich zurück sein.
Wir machten kurz an der Bar Halt, wo Lily mir zwischen zwei stürmischen Liebesbezeugungen von William zu meiner geringen Überraschung mitteilte, ich dürfe gern allein nach Hause fahren. Am Fuß der Treppe, die zur Straße hinaufführte, küsste Christian mich auf die Wange.
»Schön, dass wir uns heute so zufällig getroffen haben. Und jetzt werde ich mir wohl von Gabriel die Lobhudeleien über Sie anhören dürfen.« Er grinste.
»Wir haben doch keine zwei Worte miteinander gewechselt.« Warum kleisterte mich bloß jeder so mit Komplimenten zu?
»Richtig, Andy, aber Ihnen ist offensichtlich nicht klar, dass die Welt der Autoren eine kleine ist. Ob Sie nun Krimis oder Features oder normale Zeitungsartikel schreiben – jeder kennt jeden. Dass Potenzial in Ihnen steckt, erschließt sich für Gabriel schlicht und einfach daraus, dass Sie einen Job bei Runway ergattert haben, dass Sie sich verständlich und intelligent ausdrücken können und, okay, zum Teufel, mit mir befreundet sind. Was hat er schon zu verlieren, wenn er Ihnen seine Karte gibt? Mit etwas Glück hat er die nächste Bestsellerautorin an Land gezogen. Und so viel steht fest – Gabriel Brooks zu kennen kann nie schaden.«
»Hmmm, wahrscheinlich haben Sie Recht. Sei’s, wie es sei, ich muss jetzt nach Hause – schließlich soll ich in ein paar Stunden wieder auf der Matte stehen. Danke für alles. Ich weiß es
wirklich zu schätzen.« Ich reckte mich hoch, um ihn auf die Wange zu küssen; halb
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