Der Teufel trägt Prada
Teufel hatte ich das bloß hergezaubert?
Sie legte den Kopf schräg und hielt eine geballte Faust vor ihren Mund. Durch die Glastür sah ich James auf uns zukommen, der beim Anblick von Miranda auf dem Absatz kehrt machte und Fersengeld gab. »Aan-dreh-aa, die sind inakzeptabel. Meine Mädels hier stehen für Runway , und Schuhe dieser Sorte entsprechen nicht der Botschaft, die zu verbreiten ich anstrebe. Suchen Sie sich in der Kleiderkammer eine anständige Fußbekleidung. Und bringen Sie mir einen Kaffee.« Sie sah von mir zur Tür, bis ich begriff, dass ich sie ihr aufhalten sollte. Dann rauschte sie ohne ein Dankeschön hindurch Richtung Büro. Für den Kaffeegang brauchte ich Geld und meine Zigaretten, aber nichts davon so dringend, dass ich wie ein bös gezaustes Entenküken trotzdem treu und brav hinter ihr herwatscheln musste. Ich begab mich wieder zum Fahrstuhl. Die fünf Piepen für den Milchkaffee konnte Eduardo mir pumpen, und die neue Schachtel Zigaretten würde Ahmed, wie alle anderen in den letzten Monaten, Runway auf die Hausrechnung setzen. Ich war davon ausgegangen, dass mein Rückzug unbemerkt bleiben würde, aber ihre Stimme bohrte sich wie eine spitze Schaufelkante in meinen Hinterkopf.
»Aan-dreh-aa!«
»Ja, Miranda?« Ich blieb wie angewurzelt stehen und drehte mich zu ihr um.
»Liegt die Restaurantkritik, um die ich Sie gebeten hatte, auf meinem Schreibtisch?«
»Äh, also, ehrlich gesagt hatte ich etwas Probleme damit, sie aufzutreiben. Es war so, ich habe bei sämtlichen Zeitungen angerufen, und offenbar hat keine von ihnen in den letzten Tagen eine Besprechung von einem Asien-Restaurant gebracht. Wissen Sie vielleicht zufällig noch, äh, wie das Restaurant hieß?« Unwillkürlich hielt ich den Atem an und rüstete mich für die Attacke.
Meine Erklärungen schienen sie wenig zu interessieren – sie marschierte schon wieder weiter Richtung Büro. »Aan-dreh-aa,
ich habe Ihnen doch gesagt, dass es in der Post stand – ist das denn wirklich so schwer herauszufinden?« Und weg war sie. In der Post ? Heute morgen hatte ich mit dem dortigen Restaurantkritiker gesprochen, und er hatte einen heiligen Eid darauf geschworen, bei ihnen sei keine Rezension erschienen, die meiner Beschreibung entspreche, und außerdem habe es in der gesamten Woche keine einzige erwähnenswerte Neueröffnung gegeben. Sie hatte eindeutig einen Sprung in der Schüssel, und ich war diejenige, die man dafür in die Pfanne hauen würde.
Um diese Zeit war der Kaffeegang im Nu erledigt, also nahm ich mir die Freiheit, noch zehn Minuten zuzugeben und Alex anzurufen, der immer um Punkt halb eins zum Mittagessen ging. Gott sei Dank erwischte ich ihn am Handy und musste mich nicht wieder mit irgendwelchen Lehrern herumschlagen.
»Hey, Babe, wie war dein Tag soweit?« Er klang geradezu verboten gut gelaunt, und ich musste mich zusammenreißen, um ihm nicht gleich an die Gurgel zu springen.
»Bisher einsame Spitze, wie üblich. Der Laden wächst mir immer mehr ans Herz. Heute habe ich fünf Stunden nach einem imaginären Artikel gesucht, den es nur in den Wahnvorstellungen einer Frau gibt, die sich eher umbringen würde als zuzugeben, dass sie sich geirrt hat. Und du?«
»Also, mein Tag war super. Ich habe dir doch von Shauna erzählt?« Ich nickte, was er natürlich nicht sehen konnte. Shauna war eine von seinen kleinen Schützlingen und hatte bisher in der Klasse noch keinen Ton von sich gegeben. Alex hatte ihr Druck gemacht, Belohnungen versprochen, lange mit ihr geredet – alles ohne Erfolg. Er war beinahe durchgedreht, als sie frisch in seiner Klasse auftauchte, auf Betreiben einer Sozialarbeiterin, die herausgefunden hatte, dass dieses neunjährige Mädchen bisher noch nie eine Schule von innen gesehen hatte. Seither war Alex von dem Wunsch besessen, ihr zu helfen.
»Sie macht den Mund überhaupt nicht mehr zu! Ein bisschen Singen, und das war’s. Ich hatte für heute einen Folksänger eingeladen,
für die Kinder Gitarre zu spielen, und Shauna sang sofort mit. Seitdem ist das Eis gebrochen, und sie quasselt mit jedem, ohne Ende. Sie kann Englisch. Ihr Vokabular ist altersgemäß. Sie ist total und vollständig normal!« Seine offenkundige Euphorie wirkte ansteckend – ich musste lächeln, und plötzlich spürte ich in mir Sehnsucht aufsteigen. Mein Überraschungsbesuch bei ihm gestern Abend war schön, aber ich wie üblich viel zu alle gewesen, um noch groß etwas zur Unterhaltung beizutragen. Zwischen uns
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