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Der Teufel trägt Prada

Der Teufel trägt Prada

Titel: Der Teufel trägt Prada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Weisberger
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verschlug einem schlicht den Atem. Füllfederhalter. Schmuck. Bettwäsche. Schals, Handschuhe, Skimützen. Pyjamas. Capes. Schultertücher. Schreibwaren. Seidenblumen. Hüte, Hüte sonder Zahl. Und Taschen. Taschen! Shopping Bags, Bowling Bags, Rucksackmodelle und Unterarmtäschchen, Schultertaschen, Umhängetaschen, Kuverttaschen, Kuriertaschen, einfach alles, vom Miniformat bis zur Übergröße, samt und sonders versehen mit exklusiven Etiketten und Preisschildern, deren Beträge die monatliche Hypothekenrate des durchschnittlichen amerikanischen Häuslebauers weit überstiegen. Den noch verbleibenden Platz nahmen Ständer um Ständer mit Kleidung ein, so dicht an dicht, dass kein Durchkommen war.
    Also mühte sich Jeffy den lieben langen Tag, die Kleiderkammer zu einem halbwegs brauchbaren Anlaufplatz umzugestalten,
in dem Models (und Assistentinnen wie meine Wenigkeit) Kleider anprobieren und tatsächlich bis zu den Schuhen und Taschen in der dritten Reihe vorstoßen konnten; und das ging nur, indem er sämtliche Ständer in den Korridor bugsierte. Mir war noch keiner untergekommen, ob Autor, Liebhaber, Kurier oder Stylist, der angesichts jener endlosen Reihen von Modeständern in den Fluren nicht wie angewurzelt stehen geblieben und ins Glotzen verfallen wäre. Manchmal bestimmten die Modenschauen (in Sydney oder Santa Barbara) die Kleiderordnung auf den Ständern, zu anderen Zeiten waren es die einzelnen Kategorien (Bikinis, Kostüme), meistens jedoch kam einem das Ganze bloß wie ein gewollt, aber nicht gekonnt lässiges Sammelsurium von sündhaft teuerem Zeug vor. Zwar blieb wirklich jeder staunend stehen, um die flaumweichen Kaschmirschals und kunstvoll mit Perlen bestickten Abendkleider zu befühlen, aber die eigentlichen – selbst ernannten – Herrscherinnen über dieses Reich waren die Klapperschnepfen, die »ihre« Kleider eifersüchtig bewachten und sich schier endlos über jedes einzelne Teil verbreiteten.
    »Die einzige Frau auf der ganzen Welt, die diese Caprihose tragen kann, ist Maggie Rizer«, ließ Hope, eine Modeassistentin, die es mit ihren 1,82 Meter immerhin auf bombastische 47 Kilo brachte, sich vor unserem Vorzimmer vernehmen; sie hielt sich die Hose an und seufzte. »In denen würde mein Hintern noch fetter aussehen, als er sowieso schon ist.«
    »Andrea«, rief ihre Freundin, die ich nur flüchtig kannte und die in der Abteilung für Accessoires arbeitete, »sag Hope doch bitte, dass sie nicht fett ist.«
    »Du bist nicht fett«, kam es automatisch aus meinem Mund. Ich hätte verdammt viel Zeit sparen können, wenn ich mir den Spruch auf ein T-Shirt gedruckt oder einfach direkt auf die Stirn tätowiert hätte. Ständig musste ich irgendwelchen Mitarbeiterinnen von Runway versichern, dass sie beileibe nicht fett waren.

    »O mein Gott, sieh dir bloß diesen Wanst an. Die Rettungsringe auf der ›Queen Elizabeth‹ sind ein Dreck dagegen. Ich bin ein Monstrum!« Sie hatten nichts anderes im Kopf (wenn schon nicht auf den Rippen) als Fett. Emily schwor hoch und heilig, ihre Oberschenkel hätten »mehr Umfang als ein Riesenmammutbaum.« Jessica fand, ihre »wabbeligen Oberarme« sähen aus wie die von Roseanne Barr. Sogar James jammerte, sein Hintern hätte eines Morgens, als er aus der Dusche kam, derart unförmig ausgesehen, dass er erwogen hatte, sich »fett schreiben zu lassen« und zu Hause zu bleiben.
    Anfangs, fand ich, hatte ich die unzähligen Bin-ich-fett-Fragen noch ganz cool und rational gekontert: »Wenn du fett sein sollst, Hope, was ist dann mit mir? Ich bin fünf Zentimeter kleiner als du und wiege mehr.«
    »Ach Andy, jetzt mach keine Witze. Ich bin der Fettklops. Du bist schön dünn und siehst super aus!«
    Natürlich dachte ich, sie hielte mich zum Besten, aber bald ging mir auf, dass Hope – ebenso wie all ihre zaundürren Kolleginnen und übrigens auch die meisten Typen im Büro – das Gewicht anderer bis aufs letzte Gramm genau einschätzen konnte. Nur beim Blick in den Spiegel starrte ihnen plötzlich eine Seekuh ins Gesicht.
    Und ganz egal, wie viel Mühe ich mir auch gab, das Ganze von einer vernünftigen Warte aus zu sehen und mir immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass ich normal war und die anderen nicht – die ständigen Bemerkungen zum Thema Übergewicht hatten mich nicht kalt gelassen. Vier Monate erst war ich in dem Laden, und schon hatte ich genügend Knoten (wenn nicht gar Paranoia) im Hirn, um mindestens zeitweise zu vermuten, jene Kommentare

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