Der Teufel trägt Prada
nur vermuten, dass es sich bei ihr um Emily handelte. Aus heiterem Himmel fing sie plötzlich an, mir den Job zu beschreiben. Ihre monotonen Ausführungen verrieten mir mehr als alles, was sie sagte: Sie hatte diese Litanei anscheinend schon Dutzende Male heruntergeleiert, erwartete sich von mir auch nicht mehr als von den anderen Bewerberinnen und würde sich deshalb nicht länger als unbedingt nötig mit mir abgeben.
»Es ist kein Zuckerschlecken, so viel steht fest. Es kommt vor, dass der Arbeitstag 14 Stunden hat, nicht oft, aber oft genug«, ratterte sie los. »Und Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass Sie keine redaktionellen Aufgaben übertragen bekommen werden. Als Juniorassistentin sind Sie ausschließlich dafür verantwortlich, Miranda nach besten Kräften zu unterstützen und zu entlasten. Und darunter fällt alles, was Sie sich nur vorstellen können. Dass Sie zum Beispiel ihr Lieblingsbriefpapier bestellen oder sie beim Shopping begleiten. Abwechslungsreich ist es auf jeden Fall. Überlegen Sie bloß, Sie sind Tag für Tag, Woche für Woche mit dieser einzigartigen Frau auf Tuchfühlung. Und dass sie einzigartig ist, können Sie mir glauben«, hauchte sie. Zum ersten Mal kam so etwas wie Leben in ihre Züge.
»Klingt gut«, sagte ich – und es war mir ernst damit. Meine
Studienfreunde, die schon sechs Monate in der realen Arbeitswelt hinter sich hatten, klangen allesamt frustriert und enttäuscht, und zwar ganz egal, wo sie arbeiteten, bei einer Bank, einer Werbeagentur oder einem Buchverlag. Es war überall das gleiche trübe Bild, lange Arbeitszeiten, schreckliche Kollegen und innerbetriebliche Intrigen. Aber das Allerschlimmste war die Langeweile. Verglichen mit den Anforderungen des Studiums waren die Aufgaben, die man ihnen übertrug, stupide und sinnlos. Routinearbeiten für Schimpansen. Stundenlang tippten sie Zahlen in irgendwelche Datenbanken oder führten telefonische Anbahnungsgespräche mit Leuten, die nicht belästigt werden wollten. Sie katalogisierten überflüssige Informationen am Computer und recherchierten monatelang über irgendein unwichtiges Thema, nur um ihren Vorgesetzten zu beweisen, dass sie produktiv waren. Jeder von ihnen hatte das Gefühl, seit dem Studium verblödet und in einer Sackgasse gelandet zu sein. Zwar hatte ich nicht besonders viel mit Mode am Hut, aber bevor ich mir bis ans Ende meiner Tage einen öden Bürojob ans Bein band, machte ich doch lieber etwas Abwechslungsreiches.
»Ja, der Job ist toll. Einfach toll. Fantastisch. Es war nett, Sie kennen gelernt zu haben. Jetzt hole ich Allison, damit die Sie ebenfalls ein bisschen beschnuppern kann. Sie ist auch toll.« Sie hatte kaum den Satz beendet und war mit wehendem Rock und flatternden Locken hinter der Glastür verschwunden, als auch schon die nächste zarte Gestalt hereinschwebte.
Mirandas bisherige Seniorassistentin Allison, die soeben befördert worden war, war eine atemberaubende schwarze Schönheit. Ich staunte darüber, wie mager sie war, wie ihr Bauch sich nach innen wölbte, und ihre Hüftknochen hervorstachen. Fast noch mehr staunte ich allerdings darüber, dass sie im Büro überhaupt Bauch zeigen durfte. Sie trug eine schwarze Lederhose und ein flauschiges weißes Tanktop, das sich über den Brüsten spannte und fünf Zentimeter über ihrem Bauchnabel endete. Das lange, tintenschwarze Haar breitete sich wie eine glänzende Decke
über ihren Rücken. Finger- und Zehennägel waren weiß lackiert und schienen von innen heraus zu leuchten. Ihre hochhackigen offenen Sandalen legten auf ihre 1,80 Meter Körpergröße noch einmal gute sieben Zentimeter drauf. Sie sah gleichzeitig sexy, halbnackt und edel aus. Vor allem aber ließ sie mich frösteln. Und zwar buchstäblich. Es war schließlich November.
»Hallo, ich bin Allison. Aber das wissen Sie bestimmt schon«, begann sie und zupfte sich ein paar Fasern Tanktop-Flaum von ihrer kaum vorhandenen Hüfte. »Ich bin gerade auf eine Redaktionsstelle befördert worden, und genau das ist das Tolle daran, wenn man für Miranda arbeitet. Ja, der Arbeitstag ist lang und hart, aber auch ungeheuer aufregend, und Millionen Mädchen würden für diesen Job ihr Leben geben. Miranda ist eine derart wunderbare Frau, Herausgeberin und Persönlichkeit, dass sie sich für ihre Girls persönlich einsetzt. Ein Jahr bei Miranda, und Sie ersparen sich jahrelanges Klinkenputzen bei anderen Zeitschriften. Sie bekommen von ihr den Anschub, den Sie brauchen, um nicht
Weitere Kostenlose Bücher