Der Teufel trägt Prada
in einem Ton, der die Umstehenden bewog, nach einer tollwütigen Hyäne Ausschau zu halten. »Oh, tatsächlich? Ist das alles, was Sie dazu beizusteuern haben?«
»Nein, nein, natürlich nicht, Miranda. Ich habe es nicht so gemeint. Kann ich irgendetwas tun?«
» Kann ich irgendetwas tun ?« Nun hörte sie sich an wie ein quengeliges Kleinkind. Jedem anderen Erdenbewohner hätte ich dafür mit Wonne eine gelangt. »Allerdings, das können Sie glauben,
Aan-dreh-aa. Nachdem Sie ganz offensichtlich nicht imstande sind, dergleichen im Vorfeld zu erledigen, werden Sie zusehen müssen, dass die Pässe rechtzeitig bis zum Abflug der Zwillinge heute Abend erneuert sind. Es kommt nicht in Frage, dass meine eigenen Töchter die morgige Party verpassen, haben Sie mich verstanden?«
Eine gute Frage. Ich verstand beim besten Willen nicht, wieso es meine Schuld sein sollte, dass zwei Zehnjährige über ungültige Pässe verfügten, um die sich, rein theoretisch, zwei Elternteile, ein Stiefvater und ein rund um die Uhr erreichbares Kindermädchen hätten kümmern können, aber ich verstand auch, dass es letztlich keine Rolle spielte. In Mirandas Augen war ich schuld, und das genügte. Auf keinen Fall würde sie verstehen wollen, dass es mit dem Flug der Mädchen Essig war. Ich konnte zwar aus dem Stand Wunder vollbringen und Unmögliches sofort erledigen, aber binnen weniger als drei Stunden vom Ausland aus den Bundesbehörden Reisedokumente aus dem Kreuz zu leiern, das war nicht drin. Punkt. Aus. Ende. Nach einem vollen Jahr im Dienste von Miranda die erste wirklich und wahrhaftig unlösbare Aufgabe: Sie konnte mich noch so lange anblaffen, unter Druck setzen oder niedermachen, es war schlicht und einfach nicht drin. In Ihrem Alter war ich ganz genauso.
Scheiß auf sie. Scheiß auf Paris. Scheiß auf Modenschauen und die endlosen Spielchen Marke »Ich bin fetter als du.« Scheiß auf die ganze Meute, die Mirandas Gehabe tolerierte, weil sie die Kunst beherrschte, talentierte Fotografen in Kombination mit sündteuren Klamotten in gelungene Shootings für ein Modemagazin zu verwandeln. Scheiß drauf, dass sie überhaupt auf die Idee kam, mich mit sich zu vergleichen. Und Recht damit hatte. Was zum Teufel tat ich eigentlich hier, wieso ließ ich mich von dieser allen Freuden des Lebens abholden Teufelin dermaßen schikanieren und knechten? Damit ich vielleicht, ganz vielleicht, in 30 Jahren wieder genau hier saß, umgeben
von Heerscharen, die mir notgedrungen die Füße küssten, und meinerseits eine Assistentin zur Schnecke machen konnte, die mich dafür zur Hölle wünschte?
Ich schnappte mir mein Handy und tippte drauflos. Miranda wurde fuchsteufelswild.
»Aan-dreh-aa!«, zischte sie wie eine aufs Äußerste gereizte Schlange, wahrte jedoch nach wie vor, ganz Dame, die Contenance. »Was tun Sie da? Ich sage Ihnen, dass meine Töchter umgehend neue Pässe benötigen, und Sie befinden den Zeitpunkt für geeignet, ein Schwätzchen am Telefon zu halten? Sind Sie der gänzlich irrigen Meinung, ich hätte Sie etwa zu diesem Zweck nach Paris kommen lassen?«
Nach dem dritten Klingeln hob meine Mutter ab. Ich überfiel sie umstandslos.
»Mom, ich nehme den nächsten Flieger, den ich kriegen kann. Ich rufe an, wenn ich in New York bin. Ich komme nach Hause.« Ohne eine Antwort abzuwarten, klappte ich das Handy zu und stellte mich Mirandas ehrlich verblüfftem Blick. Kopfweh hin, Übelkeit her, ich musste einfach grinsen, als ich sie ausnahmsweise einmal so ganz und gar sprachlos vor mir stehen sah. Leider Gottes berappelte sie sich schnell wieder. Hätte ich mich ihr augenblicklich zu Füßen geworfen und alles zu erklären versucht, wäre mir vielleicht der Hauch einer Chance geblieben, aber mittlerweile war es mir absolut scheißegal, ob ich den Job behielt oder nicht.
»Aan-dreh-ah, ist Ihnen die Tragweite Ihrer Handlungen bewusst? Ist Ihnen klar, dass ich, wenn Sie so ohne weiteres auf und davon gehen, gezwungen bin -«
»Leck mich, Miranda. Leck mich am Arsch.«
Sie schnappte pfeifend nach Luft und schlug entsetzt die Hand vor den Mund; das Spektakel erregte die Aufmerksamkeit der umstehenden Klapperschnepfen, sie flüsterten miteinander und zeigten mit Fingern auf diese Null von Assistentin, die – man höre, und zwar laut und deutlich – einer der großen lebenden
Legenden in der Modewelt derart unverfroren die Stirn geboten hatte.
»Aan-dreh-aa!« Ich entwand meinen Oberarm ihrem Klauengriff und setzte ein Lächeln
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