Der Teufel trägt Prada
gesagt, es sieht so aus, als würde Lily bald wieder zu sich kommen. Ist das nicht wunderbar? Ich dachte, dass du doch sicher darüber Bescheid wissen wolltest.«
»Ja, natürlich. Das ist wirklich wunderbar.«
»Hast du schon entschieden, ob du kommst?«
»Äh, nein, noch nicht. Miranda veranstaltet morgen Abend eine Party, und dabei braucht sie unbedingt meine Hilfe, deswegen … Du hör mal, Dad, tut mir Leid, aber im Moment ist es gerade ungünstig. Kann ich dich zurückrufen?«
»Sicher, jederzeit.« Es sollte neutral klingen, aber ich hörte die Enttäuschung aus seiner Stimme heraus.
»Fein. Danke für den Anruf. Bye.«
»Wer war das?«, erkundigte sich Miranda, die Augen immer noch auf ihr Programm gerichtet. Es hatte angefangen zu regnen, und in dem Pladdern der Tropfen auf dem Autodach ging ihre Stimme fast unter.
»Hmm? Ach, das war mein Vater. Aus Amerika.« Was redete ich da für ein Blech? Aus Amerika ?
»Und was war sein Anliegen, das mit Ihren Aufgaben bei der Party morgen Abend kollidiert?«
Mir schossen eine Million Ausflüchte durch den Kopf, aber es blieb keine Zeit, auch nur eine davon logisch weiterzuspinnen – zumal sie nun ausnahmsweise ganz Ohr war. Also Augen zu und durch.
»Ach, nichts weiter. Eine Freundin von mir hatte einen Unfall. Sie liegt im Krankenhaus. Im Koma, genauer gesagt. Und da wollte er mir eben erzählen, wie es ihr geht, und fragen, ob ich heimkomme.«
Sie hörte sich das an, nickte bedächtig und griff dann nach der neuesten Ausgabe des International Herald Tribune , die der aufmerksame Fahrer bereitgelegt hatte. »Aha.« Kein »Das tut mir aber Leid«, kein »Und, wie geht es Ihrer Freundin?« – nur eine eisige, nichts sagende Bemerkung und ein Blick wie frisch gespitzte Bleistifte.
»Aber ich fahre nicht, definitiv nicht. Ich weiß, wie wichtig es ist, dass ich morgen bei der Party zur Stelle bin. Ich habe lange darüber nachgedacht, und ich wollte Ihnen sagen, dass ich mich der Verpflichtung Ihnen und meiner Arbeit gegenüber als würdig erweisen werde, und das heißt, ich bleibe.«
Schweigen. Dann, mit einem leisen Lächeln: »Aan-dreh-aa, ich begrüße Ihre Entscheidung sehr. Es ist erfreulich, dass Sie die richtigen Prioritäten setzen. Ich muss nämlich sagen, dass ich anfangs bei Ihnen so meine Bedenken hatte. Zum einen haben Sie ganz offenkundig keinen blassen Schimmer von Mode und, schlimmer noch, bringen auch keinen Funken Interesse dafür auf. Zum anderen ist mir keineswegs entgangen, wie nachhaltig und nuanciert Sie Ihr Missfallen ob jedes Ansinnens von meiner Seite bekunden, das Sie Ihrerseits lieber nicht weiter verfolgen würden. Was die Arbeit betrifft, haben Sie sich als angemessen kompetent erwiesen, aber Ihre Einstellung lässt doch noch einiges zu wünschen übrig.«
»Oh, Miranda, wenn Sie bitte -«
»Lassen Sie mich ausreden! Was ich sagen wollte: Nun, da Sie echtes Engagement demonstrieren, sehe ich mich sehr viel geneigter, Ihnen zu dem Ziel zu verhelfen, das Sie anstreben. Sie können stolz auf sich sein, Aan-dreh-aa.« Ein Monolog von solcher Länge, Tiefe und Gewichtigkeit – ich war der Ohnmacht nahe, ob vor Freude oder Pein, wer wollte das sagen: Doch sie ging noch einen Schritt weiter. Mit einer Geste, die für eine Frau ihres Kalibers in jeder Hinsicht ganz und gar undenkbar erschien. Sie legte ihre Hand auf meine und sagte: »In Ihrem Alter war ich ganz genauso.« Mir fiel nicht die kleinste passende Silbe
zur Erwiderung ein, und da hielten wir auch schon mit quietschenden Reifen vor dem Carrousel du Louvre, und der Fahrer sprintete heraus, um uns die Türen aufzuhalten. Ich schnappte mir ihre und meine Tasche und hätte gern gewusst, ob dieser Augenblick die Krönung oder den Tiefpunkt meines bisherigen Lebens darstellte.
Meine erste Pariser Modenschau ist mir nur verschwommen in Erinnerung. Es war ziemlich finster, so viel weiß ich noch, und die Musik wirkte übertrieben laut angesichts all der höchst dezent zur Schau gestellten Eleganz, aber wenn ich heute an jenen zweistündigen Einblick in eine bizarre Welt zurückdenke, spüre ich nur wieder, wie dreckig es mir damals ging. In den von Jocelyn passend zu meinem Outfit – eng anliegender Kaschmirpullover von Malo über einem Chiffonrock – liebevoll ausgesuchten Stiefeln von Chanel fühlten sich meine Füße an wie durch den Reißwolf gedreht. Verkatert, verängstigt und halb verhungert, wie ich war, schlug mir mein Brummschädel massiv auf den Magen.
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