Der Teufel trägt Prada
zu treffen, dämmerte es mir plötzlich: Strümpfe waren verpönt. Meine Absätze waren immer zu flach, zu breit, zu dick. Ich besaß nicht ein einziges Kleidungsstück aus Kaschmir. Da das Wort »Stringtanga« für mich noch nicht existierte, grübelte ich ewig darüber nach, was ich anziehen sollte, damit sich mein Slip nicht abzeichnete – eines der beliebtesten Lästerthemen in der Kaffeepause. Und so oft ich auch dazu Anlauf nahm, ich konnte mich nicht überwinden, in einem trägerlosen Top zur Arbeit zu gehen.
Nach drei Monaten schmiss ich die Flinte ins Korn. Ich war seelisch, körperlich und geistig am Ende, ausgelaugt vom täglichen Kleiderwahlmartyrium. Es war ein Morgen wie jeder andere, ich stand mit meinem Kaffee vor dem Schrank und inspizierte meine guten, alten Lieblingssachen. Warum sollte ich mich noch länger dagegen wehren? Wenn ich Designerklamotten trug, hieß das doch noch lange nicht, dass ich eine voll angepasste Runway -Klapperschnepfe war oder meine Seele verkauft hatte. Nachdem ich in letzter Zeit immer öfter immer bissigere Kommentare über mein Outfit hatte einstecken müssen, war mir sogar schon der Gedanken gekommen, ob ich nicht mit meiner modischen Sturheit vielleicht sogar meinen Job aufs Spiel setzte. Ich sah mich im Spiegel an und musste lachen: Dieses Ding im Maidenform-BH und im Baumwollslip von Jockey wollte es mit einer Runway -Schönheit aufnehmen? Ha, ha! In diesen Klamotten? Garantiert nicht. Ich arbeitete schließlich bei der einflussreichsten Modezeitschrift der Welt: Da reichte es einfach nicht, nur sauber und adrett auszusehen. Ich schob meine langweiligen Blusen zur Seite und förderte den Tweedrock (Prada), den schwarzen Rolli (Prada) und die Halbstiefel (Prada) ans Tageslicht, die James mir eines Abends zugesteckt hatte, als ich noch auf das BUCH wartete.
»Was ist das?«, fragte ich, während ich den Kleidersack aufmachte.
»Was du anziehen solltest, wenn du nicht gefeuert werden willst, Andy«, antwortete er. Er lächelte zwar, konnte mir aber nicht in die Augen sehen.
»Wie bitte?«
»Hör mal zu. Ich finde, du solltest wissen, dass dein, äh, dein Look hier nicht bei allen gut ankommt. Schon klar, diese Designerklamotten sind ein teurer Spaß, aber das muss nicht sein. Ich habe so viele Sachen in der Kleiderkammer, dass kein Mensch etwas davon merkt, wenn du dir mal ein Teil, äh, borgen würdest.« Er setzte das Wort »borgen« mit den Fingern in Anführungsstriche. »Und natürlich solltest du auch die PR-Leute anrufen und dir die Discountkarten der Designer geben lassen. Ich kriege 30 Prozent Rabatt, aber da du für Miranda arbeitest, würde es mich fast wundern, wenn sie dir überhaupt etwas berechnen. Es gibt keinen Grund, an deinem... College-Look festzuhalten.«
Ich biss mir auf die Zunge. Dass ich versucht hatte, mit meinen Billigschuhen und den Jeans von der Stange der Welt zu beweisen, dass ich mich nicht vom Runway -Glanz hatte blenden lassen, behielt ich in diesem Augenblick lieber für mich. Wer mochte James wohl auf mich angesetzt haben? Emily? Oder gar Miranda persönlich? Aber eigentlich spielte es keine Rolle. Schließlich hatte ich schon drei volle Monate bei Runway durchgehalten, und wenn mir ein Prada-Pulli garantieren konnte, dass ich auch noch die letzten neun überlebte – dann immer her damit. Von diesem Tag an war mein Gammellook passé.
Als ich um 6.50 aus dem Haus trat, war ich ziemlich zufrieden mit meiner Erscheinung – und war wohl auch nicht die Einzige, der ich gefiel. Ich war noch keine zehn Schritte weit gekommen, da pfiff schon ein Straßenverkäufer hinter mir her; eine Frau sprach mich an, die mir neidisch erzählte, dass sie seit drei Monaten mit den Gedanken spielte, sich genau die Stiefel zuzulegen, die ich trug. Daran könnte man sich gewöhnen, dachte ich mir. Irgendwas musste man schließlich sowieso anziehen, nackt
ging keiner zur Arbeit, und in meinem neuen Outfit fühlte ich mich jedenfalls um Klassen besser als in meinen eigenen Sachen. An der nächsten Ecke stieg ich in ein Taxi, kein Notfall mehr, sondern alte Gewohnheit. Drinnen war es warm und gemütlich, aber ich war zu müde, um mich auch nur darüber freuen zu können, dass ich mich nicht mit den anderen Werktätigen in die U-Bahn quetschen musste. Ich krächzte: »Madison 64. Schnell bitte.« Der Fahrer sah mich im Rückspiegel an, mitleidig, wie es mir schien, und sagte: »Elias-Clark-Building, richtig?« Dann trat er aufs Gas. Nach einer
Weitere Kostenlose Bücher