Der Teufel trägt Prada
die Hand. Was er wohl von mir wollte?
»So schlecht fand ich den Anfang gar nicht. Ich bin Christian. Nett, Sie kennen zu lernen, Andrea.« Er strich sich eine braune Locke aus der Stirn und trank einen Schluck Budweiser – aus der Flasche! Irgendwie kam er mir bekannt vor, aber ich konnte ihn nicht recht einordnen.
»Bud, hm?«, sagte ich und zeigte auf die Flasche. »Ich hätte gar nicht gedacht, dass man hier so was Prolliges wie Bier überhaupt bekommen kann.«
Er lachte, tief aus dem Bauch heraus. »Sie nehmen wirklich kein Blatt vor den Mund, hm?« Ich muss ziemlich verlegen aus der Wäsche geschaut haben, denn er fuhr lächelnd fort: »Nein, nein, das gefällt mir ja gerade. So etwas ist selten, vor allem in dieser Branche. Tja, ich konnte mich einfach nicht überwinden, mit dem Strohhalm Champagner aus einem Piccolofläschchen zu schlürfen. Das hat so was Unmännliches. Da habe ich den Barmann so lange bekniet, bis er irgendwo in der Küche ein Bier für mich ausgegraben hat.« Die widerspenstige Locke kringelte sich schon wieder in seine Stirn. Er bot mir eine Zigarette an, die mir prompt aus der Hand fiel. Was aber beileibe kein Beinbruch war, denn so konnte ich ihn, als ich mich danach bückte, auch unterhalb der Gürtellinie ein bisschen näher begutachten.
Also dann, von unten nach oben: topmodische Gucci-Loafer; eine tief auf den Hüften sitzende, leicht ausgestellte Diesel-Jeans, die genau an den richtigen Stellen verwaschen und am Saum ein klein wenig ausgefranst war; schwarzer Gürtel, vermutlich ebenfalls Gucci; schlichtes weißes T-Shirt, das nur das Auge des Kenners beziehungsweise der Kennerin als Armani oder Hugo Boss identifizieren konnte und das er bestimmt nur deshalb angezogen hatte, damit man sah, wie perfekt er gebräunt war. Der schwarze Blazer sah teuer aus, ein guter Schnitt, möglicherweise sogar nach Maß gefertigt. Insgesamt war dieser Christian zwar nur durchschnittlich groß, dafür aber überdurchschnittlich sexy. Doch am auffallendsten waren seine grünen Augen. Meergrün, dachte ich, oder vielleicht doch flaschengrün?
Größe, Figur, die ganze Erscheinung, alles erinnerte mich leise an Alex, bloß in einer etwas gehobeneren Preisklasse. Eine kleine Spur cooler, einen winzigen Hauch attraktiver. Und ein ganzes Stück älter, um die 30. Und wahrscheinlich aalglatt.
Er gab mir Feuer. »Und wie hat es Sie auf diese Party verschlagen, Andrea? Gehören Sie vielleicht zu den wenigen vom Schicksal Begünstigten, die Marshall Madden mit seiner Kunst beglückt?«
»Schön wär’s. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Er hat mir nämlich ziemlich unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass ich ihm meine Haare anvertrauen sollte«, sagte ich. Plötzlich merkte ich, dass ich mich regelrecht anstrengte, diesen Fremden zu beeindrucken. »Nein, ich arbeite bei Runway . Ein Kollege hat mich hergeschleppt.«
»Bei Runway, hm? Cooler Job, wenn man auf Sadomaso steht. Und wie gefällt es Ihnen?«
Zu seinen Gunsten ging ich davon aus, dass er damit meine Arbeit meinte und nicht S&M. Das hatte ja fast so geklungen, als ob er wusste, wovon er redete. Vielleicht war ihm aus eigener Erfahrung bekannt, dass die Branche von innen lange nicht so glamourös war, wie sie von außen erschien. Ob ich ihm von meiner Alptraumaufgabe des Abends erzählen sollte, von der Ablieferung des BUCHS? Um Gottes Willen, bloß nicht, ich hatte ja keine Ahnung, wer dieser Typ eigentlich war. Womöglich arbeitete auch er bei Runway , in irgendeiner abgelegenen Abteilung, die ich noch nicht kannte, oder bei einer anderen Elias-Clark-Zeitschrift. Oder er war einer von diesen dreisten Klatschreportern, vor denen Emily mich gewarnt hatte: »Plötzlich stehen sie vor dir. Sie machen sich an dich ran, um dich über Miranda oder Runway auszuquetschen. Nimm dich bloß in Acht.« Da war er wieder, der alte Runway -Verfolgungswahn.
»Na ja«, antwortete ich möglichst lässig und unverbindlich. »Es ist schon ein seltsamer Laden. Eigentlich habe ich für Mode nicht besonders viel übrig. Ich würde viel lieber schreiben. Aber
für den Anfang kann man wohl nicht zu viel verlangen. Und was machen Sie beruflich?«
»Ich schreibe.«
»Ach ja? Das muss toll sein.« Hoffentlich klang es nicht halb so herablassend, wie es gemeint war. Aber ich hatte langsam die Nase voll davon, dass sich in New York jeder Möchtegernintellektuelle als Autor, Schauspieler, Dichter oder Künstler ausgab. Ich habe für die College-Zeitung
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