Der Teufel von Mailand
Lokalsenders etwas leiser.
Sonia hätte etwas Alkoholisches bestellt, wenn Herr Casutt sich nicht für einen Kaffee entschieden hätte. »Das Getränk der Nachtportiers«, wie er es nannte. Sonia bestellte »irgend etwas von Ihrer wunderbaren Teekarte«. Und fügte übermütig hinzu: »Einfach nichts mit Bergamotte.«
»Ich habe eine letzte Chance bekommen«, verriet Casutt, sobald die Getränke vor ihnen standen. »Eine letzte Chance! Von dieser Göre! Wissen Sie, wie viele Jahre Hotelfach ich auf dem Buckel habe?«
Sonia wußte es nicht.
»Achtundvierzig Jahre! Achtundvierzig Sommersaisons und achtundvierzig Wintersaisons und zweimal achtundvierzig Zwischensaisons sind zusammen hundertzweiundneunzig Saisons.« Er machte eine Pause, um die Zahl etwas wirken zu lassen.
»Fast zweihundert Saisons. Und muß mir von einer verwöhnten kleinen Hobby-Hoteldirektorin in ihrer ersten Saison eine letzte Chance geben lassen. Muß ich mir das bieten lassen?«
»Haben Sie?« fragte Sonia.
Casutt ließ die Schultern fallen. »Was bleibt mir denn anderes übrig?«
»Braucht man denn nicht überall Portiers?«
»Nicht solche, die in zwei Jahren in Pension gehen.«
Sonia blies in ihre Tasse.
»Die Säure konnte auch tagsüber jemand in den Topf schütten. Und daß ich einen Anruf bekam, ich solle um zwölf Frau Kaiser ablösen, stimmt auch. Ich spinn doch nicht.« Er nahm einen vorsichtigen Schluck Kaffee. »Eine letzte Chance!«
»Hat sie das wirklich so gesagt? Ich gebe Ihnen eine letzte Chance?«
»›Wir versuchen es weiter zusammen‹, hat sie gesagt. Das kommt aufs selbe heraus.«
»Finde ich überhaupt nicht. Das klingt bedeutend positiver. Und freundlicher.«
»Meinen Sie?«
»Klar. ›Wir versuchen es weiter zusammen‹ ist ein Versprechen. Das klingt auch mehr nach Barbara Peters. Sie ist nämlich nett.«
»Nett? Dazu ist sie zu schön.«
»Schöne Menschen sind nicht nett?«
»Wunderschöne nicht. Normal schöne schon. So wie Sie.«
»Danke.«
»Menschen, die so schön sind wie die Chefin, brauchen nicht nett zu sein, damit man nett zu ihnen ist. Deshalb lernen sie es nie. Glauben Sie mir. Ich habe in meinem Beruf viele schöne Menschen getroffen.«
»Zu mir ist sie nett.«
»Sie tut nett. Werden Sie so alt wie ich, dann merken Sie den Unterschied.«
Falls es stimmte, daß Barbara Peters nur nett tat, gelang ihr das an diesem Abend besonders gut. Sonia suchte sie in ihrem Büro auf, um sich für ihr Fehlen am Nachmittag zu entschuldigen. »Ist nicht so schlimm«, lachte die Chefin, »in Ihrem Bereich haben wir vorläufig keine Personalengpässe.«
Ihr Büro war der einzige Raum des alten Trakts, der mit Designermöbeln eingerichtet war. Die Täfelung war in einem matten, pastelligen Türkis gestrichen, das alte Parkett abgeschliffen und gewachst. An den Wänden hingen Fotos von Diane Arbus, Lee Friedlander, Richard Avedon und andern berühmten amerikanischen Fotografen.
Auf der schwarzen Tischplatte des kleinen Breuer-Stahlrohrschreibtisches stand ein Flachbildschirm mit kabelloser Maus und Tastatur. Sonia hätte zu gerne einen Blick auf den Bildschirm geworfen, um zu sehen, ob das Gerücht stimmte, daß Barbara Peters »Die Sims« spielte, wenn sie sich in ihr Büro zurückzog.
»Wie fühlen Sie sich?«
»Ein wenig unterfordert«, antwortete Sonia.
Barbara Peters lachte. »Besser als das Gegenteil, nicht?«
»Etwas so in der Mitte wäre mir am liebsten. Glauben Sie, das ist in näherer Zukunft zu erwarten?«
Die Chefin zuckte mit den Schultern. »Die Belegung könnte besser sein. Wie es aussieht, steht uns ein ruhiger Sommer bevor. Und wenn das Wetter nicht besser wird, sogar ein sehr ruhiger. Das hat den Vorteil, daß wir uns alle schön langsam einarbeiten können.«
»Für die Wintersaison?«
»Für den nächsten Sommer. Im Winter öffnen wir nicht. Val Grisch ist kein Winterkurort. Und außerdem hasse ich die Kälte. Wollten Sie sich für die Wintersaison bewerben?«
»Nein. Nur wissen, wie die Chancen stehen, daß ich die Sommersaison überstehe.«
»Weshalb sollten Sie nicht?« Barbara Peters schien echt erstaunt.
»Rentabilität.«
»Ach so. Nein, nein. Wir müssen keine schwarzen Zahlen schreiben im ersten Jahr.«
Das war die Vorlage für die Frage, die alle interessierte: »Von wem aus?«
»Von mir aus. –�Haben Sie Lust auf einen Cocktail, sagen wir, halb sieben in der Bar? Es gibt eine Überraschung.«
»Mag ich beides«, antwortete Sonia. »Cocktails und
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